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Faust
Orca
Faust

Aufzeichnung Aussage Patient Nr. 111 / 247-206, Königliche Hofklinik, Freiburg, 06.12.2055, Kassette 1

Es ist wohl am besten, wenn ich ganz vorne anfange. Irgendwie hatte ich von Anfang an ein ungutes Gefühl bei der Sache, schon, als ich damals, irgendwann Mitte August, gegen 12 Uhr in meine Wohnung in Hamburg - Neugraben zurückkehrte.

Nein, ich hatte die letzte Nacht nicht geschlafen, wie kommen Sie darauf, Chummer? Ein "alter Freund" hatte mich um Hilfe gebeten, er hatte einem Schamanen sein Mädchen ausgespannt und jetzt Angst vor magischer Rache oder so, und ob ich nicht vielleicht. Nun, wir sind Chummer, also hatte ich ihm einen Wachgeist besorgt und mir auch gleich einen Erdelementar gerufen, nennen wir es Intuition.

Ich kam also gegen Mittag nach Hause, in den zehnten Stock eines Wohnsilos, das echt schon bessere Tage gesehen hat - sehr viel bessere. Egal, ich hatte hier noch nie Probleme, ein Gruß an die Orks von den City Killers, die unten vorm Eingang herumlungern, dann begegnete mir noch mein Nachbar Karlheinz, ebenfalls ein Ork.

Vielleicht ist es so allmählich an der Zeit, daß ich mich vorstelle, denn ich sehe schon, so kommt keiner mit. Lebt unter Orks? Ja, also, seit, Moment, damals waren es knappe drei Monate, bin ich das, was die Wissenschaft "Homo sapiens ingentis" nennt. Die Medien haben ein kürzeres Wort: Troll, und oft genug bekommt man auch weniger nette Dinge zu hören. Egal, ich muß sehen, wie ich zurechtkomme, und damals hatte ich gerade erst begonnen, "in den Schatten zu laufen", wie man so schön sagt. Die haben gut reden! Es ist wenig romantisches oder cooles dabei, wenn Du nicht weißt, wer die nächste Miete bezahlt, wenn Du keine Bürgerrechte hast, und so weiter...

Nun, ich kam also nach Hause, checkte meine Tür - alles okay, aber es hätte mich auch gewundert, wenn nicht. In der Nachbarschaft kommen wir gut zurecht, da hat Trollsein seine Vorteile, auch wenn ich es sonst oft genug hasse. Bei der Gelegenheit, meinen Namen wollen Sie wissen, nun, man kennt mich als "Faust", ich mochte Goethe schon immer. Der andere Name, den habe ich verloren, damals, nach der Verwandlung, plötzlich wollte Papa nichts mehr zu tun haben mit seinem Sohn, tja, schlechter Ruf, bin Konzern-Exec, Du verstehst... Nix verstehe ich, also bin ich damals abgehauen, mit soviel Kohle, wie ich mitnehmen konnte. Aber zurück zur Story.

Kaum in der Wohnung -knapp dreißig Quadratmeter, also nicht viel, vor allem, wenn man 2,30 Meter groß ist - sah ich eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter des Telekoms. Ich schlüpfte aus meinem schweren Duster, legte die Altmayr Schrotpistole auf ihren Platz neben dem Trideo - ich habe gelernt, vorsichtig zu sein - und drückte den Abspielknopf. Dran war Eddie, ein Schieber,und meine einziger richtiger "Straßenkontakt". Hatte mich damals einiges gekostet, aber es schien sich allmählich zu rentieren. Ich sollte am Abend um sieben ins Hard-Rock-Café kommen und einen gewissen "Jazz" verlangen, der hätte dann Kontakt zu meinem Schmidt.

Nun, wie gesagt, ich konnte echt Geld brauchen, der Ebbie war fast leer, also legte ich mich ein paar Stunden aufs Ohr, stellte natürlich den Wecker auf sechs, und dann fuhr ich mit meinem Benz rüber, natürlich mit Duster und Altmayr. Zugegeben, eigentlich brauchte ich sowas gar nicht, immerhin bin ich hermetischer Magier - ja, genau, als Troll - , aber man weiß ja nie.

Ich kam dann gegen fünf vor sieben bei dem Laden an, der, wenn ich es recht überlegte, eigentlich sonntags geschlossen hatte - und es war Sonntag. Nun, versuchen schadet nie, also stieg ich aus und ging zur Eingangstür.

Nach zweimal Klopfen hörte ich eine Stimme. "Kannst rein, Chummer, iss offen." Ich folgte der Aufforderung, öffnete die Tür. Drinnen war es ziemlich dunkel, auch meine Trollaugen zeigten nicht sehr viel. Also rein, vorsichtig, versteht sich, und da hörte ich auch schon von der Seite "Schön ruhig bleiben, Großer, keine hastige Bewegung." Ich drehte mich um, langsam, ganz langsam, und sah einen Zwerg, der irgendwas auf mich gerichtet hatte. Sah verdächtig nach Sturmschrotflinte aus, und das ist eine der wenigen Waffen, vor denen sich auch ein Troll hüten sollte. "Hallo Kleiner, ich wollte zu Jazz. Schöne Grüße von Eddie", meinte ich, und schon senkte der Zwerg die Kanone - allerdings mußte ich die Altmayr dalassen. Naja, Vorsicht zahlt sich aus, und es wußte ja keiner von meinen weiteren Talenten.

Moment, sagen Sie, aber Zauberer laufen doch immer in diesen Klamotten rum, die mit lauter Runen und Sternen verzeiert sind? He, richtig, es gibt Zauberer, die das machen, aber mir ist das erstens zu albern, und zweitens - da kann ich mir ja auch gleich "Zauberer" auf die Stirn tätowieren lassen. Ich wußte damals noch nicht viel vom Leben ohne SIN, aber eins hatte ich gehört - wenn du deinen Gegner überraschen kannst, hast du schon halb gewonnen. Wenn Sie also einen Typ auf der Straße treffen, der voller "magischer" Symbole ist, hat er wahrscheinlich in der Magie wenig bis gar nichts drauf. Passen Sie lieber auf seinen Chummer auf, der so wahnsinnig arrogant wirkt - ja, trotz der großen Kanone. Aber zurück zum Stück.

Ich war also an dem Zwerg vorbei, der mir gesagt hatte, ich solle nach hinten gehen. Hinten saßen drei Leute in einem Raum von knapp Wohnzimmergröße. Einer hinter der Bar, ein knapp vierzigjähriger Norm, war gerade dabei, ein paar Gläser zu spülen. Das war wohl dieser Jazz. Dann saßen da noch zwei an der Theke, einer im Trenchcoat mit einem Whiskyglas vor sich, der andere hatte wohl einen O-Saft.

Ich ging also mit einem "Gut'n A'mnd" rein, setzte mich auf einen stabil genug aussehenden Hocker - wenn man 200 Kilo wiegt, traut man keinem Stuhl mehr - und bestellte einen Trollweizen. Der wurde auch gleich vor mich hin gestellt, und ich nahm einen guten Zug. Ahhhh. 20 EC waren ein fairer Preis.

Anschließend stellte ich mir die Frage, ob diese beiden meine Partner für den Run sein würden. Der eine, der im Trenchcoat, war offensichtlich ein Norm - und wohl so betrunken, daß er kaum noch stehen konnte. Da torkelte er auch schon zu einer Bühne im Hintergrund und fummelte mit irgendeinem prähistorischen Instrument herum. Also eher nein. Hmm. Der andere wirkte interessanter. Jetzt sah ich, daß es ein Elf war, und die Datenbuchse an der Schläfe deutete auf einen Rigger oder Decker.

Ich startete die Tumber-Troll-Nummer. "Na, Kleiner, deine Mama erlaubt dir wohl nix stärkeres, wa? Hicks." Aber er blieb cool, prostete mir zu. Ein Profi? Da hörte ich auch schon Stimmen aus dem Vorderteil des Ladens, kam wohl ein Nachzügler.

Eine Normfrau, ich schätzte sie auf 1,75, dunkle Haare, ziemlich kräftig - und mit Sicherheit schwer vercybert, so wie sie sich bewegte. Eine Samurai? Nein, zu unauffällig, eher eine ehemalige Konzernagentin.

Meine Grübeleien wurden unterbrochen, als Jazz sich zu Wort meldete. "Guten Abend, ich sehe, es sind alle da, dann können wir ja anfangen." Hamburger Slang, das erkannte ich gleich. "Ich habe Ihnen einen Auftrag anzubieten, bei dem für jeden 7.000 EC drin sind. Ich bin der Mittelsmann, ich kann alle Daten weitergeben." "Worum geht's denn?" Das war der Elf. "Nun, Sie sollen einen Mörder stoppen, egal wie. Sie haben vielleicht vom Ripper von Hamburg gehört?" Nun, ich zumindest hatte, wenn auch nicht viel. Die Polizei war ratlos - also wie immer - und es hatte schon zwei Tote gegeben, beide regelrecht in ihren Wohnungen zerschnetzelt. Ich meldete mich zu Wort: "Nun, ich wäre dabei." Auch die anderen waren einverstanden, nachdem wir 1700 Vorschuß pro Nase ausgehandelt hatten.

Jazz gab uns einen Datenchip, auf dem alle Infos sein sollten und wünschte uns viel Erfolg. Wir machten uns dann untereinander bekannt, und ich erfuhr, daß die Frau Dita hieß, der Elf den Namen Angel benutzte. Der Elf war tatsächlich ein Decker, und das konnte nur eine Hilfe sein. Die Frau sagte nicht viel über ihre Fähigkeiten, außer, daß sie kämpfen könnte besser als die meisten Männer. Ich behielt mein magisches Talent erstmal für mich und wir planten unser Vorgehen.

Der Datenchip, den wir uns auf meinem Taschensekretär ansahen - der Elf hatte sein Cyberdeck nicht dabei - enthielt nicht gerade viel. Die Opfer hießen André Schmidt und Dieter Falk, waren vor acht beziehungsweise vier Tagen umgebracht worden. Wir hatten Fotos, die Adressen. Einer war verheiratet, der andere nicht. Einer war städtischer Beamter, irgendein kleines Rad im Getriebe, und der zweite, aha, bei Beiersdorf. Ob ich überrascht war? Hey, wir waren in Hamburg, ich wäre überrascht gewesen, wenn Beiersdorf überhaupt nichts mit der Sache zu tun gehabt hätte.

Wir beschlossen, daß Angel eine Matrixsuche beginnen sollte, während wir am nächsten Morgen loslegen würden mit Untersuchungen vor Ort, Befragung von Bekannten und dem ganzen Zeug aus den Krimis.

Gesagt, getan. Dita und ich trafen uns und fuhren erst einmal zu den Wohnungen der beiden Mordopfer, in die wir aber so nicht hineinkamen, und die Polizeisiegel wollten wir denn, wenigstens vorerst, doch nicht aufbrechen. Mitten in diese Aktion platzte die Nachricht im Autoradio.

"Ripper schlägt wieder zu. Das dritte Opfer ist eine junge Uniangestellte von 25 Jahren, Patty Malone." Und so weiter und so fort. Wir fuhren, nach einem Telefonat mit Angel, der inzwischen eine Beziehung zu einem Lübecker Notar festgestellt hatte und in dessen System eindringen wollte, sofort zur Uni. Immerhin, auch die beiden ersten Mordopfer hatten eine Beziehung zur Uni - nämlich dort studiert - und sie waren in einer Studentenverbindung gewesen.

Erkundigungen ergaben im Institut, wo Patty gearbeitet hatte, daß sie vermutlich eine Beziehung zu ebenjener Verbindung Thau Beta hatte, in der schon die beiden Mordopfer gewesen waren. Diese Verbindung galt übrigens als rassistische Gruppe sondergleichen.

Bei der Gelegenheit, ich fühlte mich irgendwie merkwürdig, auf diese Art an die Uni zurückzukommen, aber das gehört nicht hierher.

Desweiteren hörten wir die Namen einiger Bekannter oder Arbeitgeber von Patty, wie Professor Olaf Prem oder Kai Müller, ohne aber etwas interessantes zu finden.

Schließlich erfuhr Dita, daß Patty wohl mit einem Professor, Herrn Diedersen, eine Liebesbeziehung unterhielt. Ich besuchte diesen Professor, und seine Aura flackerte bei Fragen zu dieser Geschichte - die er abstritt - derart stark, daß er sich eindeutig entlarvte. Dennoch, als Mörder kam er nicht in Frage.

Wir gingen zurück zum Parkplatz und wollten gerade fahren, da fiel mir ein Volvo mit getönten Scheiben auf, ein sehr edles, für diesen Parkplatz ungewöhnliches Modell, von dem ich hätte schwören können, daß er kurz nach uns angekommen war. Ich gab vor, kurz aufs Klo zu müssen, ging dorthin und rief einen Watcher, den ich dem Wagen als Wanze mitgab. Anschließend warnte ich Dita und wir machten uns auf in die City, wo wir erstmal im Kropotkin ein Eis aßen. Währenddesen spürte ich, wie mein Watcher zerstört wurde. Das bedeutete, der Gegner hatte magische Unterstützung. Shit.

Wir fuhren zu Angel, wo wir eine gute halbe Stunden später eintrafen. Vorher gab Dita ihm telefonisch einen Lagebericht und erzählte von der möglichen Beschattung durch Unbekannte. Ich ergänzte, er solle die Augen offenhalten, vor allem wegen edler Volvos mit getönten Scheiben.

"Ihr werdet staunen, was ich so ausgegraben habe. Leute, haltet euch fest", begann Angel kurz darauf seine Story. "Also zum Warmwerden, der Mörder ist wohl ein angeheuerter Killerelf namens Swift." Leider gab es über den aber keine weiteren Infos.

Auf der verschlüsselten Datei, die er aus dem Notarbüro mitgenommen hatte, waren jedoch weitere Informationen, daß die mittlerweile drei Mordopfer gemeinsam mit zwei weiteren Leuten vor einiger Zeit geerbt hatten, und zwar von einem gewissen Ralf König.

"Dieser Mann war Doktor der Pharmazie und arbeitete bei Beiersdorf", fuhr Angel fort. "Er vermachte den fünfen je 12.000 EC, diverse Möbel und Erinnerungsstücke - und je einen Datenchip."

"Oh Mann, da haben wir unsere Verbindung", stieß Dita hervor. "Die Namen, Angel." "Ja, also André Schmidt, Dieter Falk und Patty Malone - die sind alle schon tot. Dann haben wir Jan Philipp - den habe ich überprüft, ist wohl irgendein Uniangestellter, und dann noch ein gewisser Olaf Prem." "Olaf Prem", platzte ich heraus, "Moment, Moment, den Namen haben wir doch schon gehört, war das nicht an der Uni?" Dita nickte, und Angel ergänzte, daß der Mann Uniprofessor für Geschichte ist.

In diesem Moment meldete sich irgendetwas in mir. Ich hatte plötzlich Angst, daß man uns immer noch beschattete.

Ich brauchte nur kurz aus dem Fenster zu schauen, da erkannten meine Trollaugen bereits den schwachen IR-Laserstrahl, der die Scheibe abtastete. "Scheiße, wir werden abgehört", brüllte ich, und im selben Moment wußte ich, daß das ein Fehler war. Jetzt war der Gegner gewarnt.

Ich ging ins Badezimmer, verriegelte die Tür und wechselte in den Astralraum. Kurze Desorientierung, dann schwebte meine Astralpräsenz aus dem Haus, über die Straße, nach drüben. Ich drang in den Bereich ein, von wo der Laser kommen mußte, vorsichtig, immer auf einen Angriff gefaßt.

Nichts! Keine Lebewesen zu erkennen, und das gefiel mir nicht. Ich begann, die typische Aura technischer Überwachungsgeräte zu suchen, und tatsächlich, da war etwas. Klein, aber vorhanden. Nichts wie zurück.

Ich begab mich wieder ins Wohnzimmer. "Tja, Leute, da drüben ist wohl eine Abhördrohne. Amateure! Wer begleitet mich?" Dita folgte mir, und wir gingen über die Straße in das gegenüberliegende, halbleere Mietshaus. Dann mit entsicherten Waffen hoch bis zum Dachboden.

"Da", flüsterte ich und zeigte auf den Gegenstand. Keine Drohne, wie ich jetzt sah, sondern ein fest eingebautes kleines System. Sender oder Aufzeichnung? Wir sollten es gleich erfahren.

Ich gab Dita Zeichen, auf den größeren Part des Systems zu zielen, und sie traf beim ersten Schuß. Dann sammelten wir die Teile auf. Zum Glück keine Sprengvorrichtung, aber es hätte ja sein können...

Wir kehrten zu Angel zurück und zeigten ihm die Elektronik. Ein Blick, und er erblaßte. "Ich muß mal telefonieren", sagte er und tat dies. "Ein Chummer von mir schaut sich das mal an, er kommt gleich." Wir warteten.

Ein paar Minuten später klingete es, und ein kleiner Typ, wie ein Wiesel, kam herein, von Angel gleich freundlich begrüßt. Er untersuchte die Abhöranlage. "Oh oh, das ist Profiausrüstung. Kostet wenigstens 10 Kilo, eher mehr. Geheimdienst- oder Megakonware." "Scheiße." Angel sprach aus, was alle dachten. Wer war noch im Spiel, von dem wir bisher nichts geahnt hatten?

Es dauerte nicht lange, und es klingelte schon wieder an der Tür. Nur - diesmal erwarteten wir niemand...

Angel schaute auf die Überwachungskamera. "Nichts zu sehen." Ich murmelte etwas von "Scheiße" und "Hängt etwa ein Decker hier im System, oder haben die einen Zauberer dabei", bereitete mich auf Spruchabwehr vor und zog meine Altmayr. Angel stöpselte sich in sein Deck - nichts zu bemerken? Inzwischen behielt Dita den Monitor im Auge. "Jetzt sehe ich zwei Kerle, sehen nach Konzern aus. Maßanzüge, keine sichtbaren Waffen."

Wir ließen sie herein, und sie kamen auch gleich zur Sache. "Guten Tag, meine Freunde. Wie vertreten einen großen Konzern und wären sehr an einem Datenchip interessiert, den sie haben." "Wir haben keinen Chip." ( Das ist die Wahrheit - bis jetzt.) "Das wissen wir. Wir haben jeden Ihrer Schritte verfolgt." ( zu Angel ) "Sie sollten wirklich die Datenwanze von ihrem Telekomkabel entfernen."

Damit wußten wir wohl auch, wer für den IR-Laser zuständig war. Nach einer kurzen Verhandlung - ich stellte fest, daß unser Schmidt sich schließlich nur für den Mörder, nicht ausdrücklich für einen Chip interessiert - einigten wir uns, den Chip, sobald wir ihn hätten, gegen einen Unkostenbeitrag abzugeben.

Die beiden Herren gingen kurz darauf, und wir machten eine Einsatzbesprechung. Diese ergab, daß wir beschlossen, Herrn Professor Prem zu besuchen. Also fuhren wir mal wieder zur Uni. "Bei der Gelegenheit können wir auch mal Pattys Wohnung anschauen", ergänzte ich, "und sehen, ob der Mörder den Chip gefunden hat oder wir ihn finden."

Pattys Wohnung ergab nicht viel, außer einer Menge Blut auf dem Boden und einem von oben bis unten durchwühlten Chaos, das mich schließen ließ, der Mörder habe den Chip, oder er sei ohnehin nicht hier zu finden gewesen.

Also auf zu Professor Prem. Das übernahmen Dita und ich, während Angel den Parkplatz im Auge behielt, von wegen dunkle Volvos und so. Dem Professor schien nicht zu passen, daß ich Troll war, aber er war bei Gott nicht der erste rassistische Professor, den ich kennengelernt habe, und bestimmt auch nicht der letzte. Mistkerl! Unsere Fragen beantwortete er sehr ausweichend, aber irgendwie schien er auch nicht genug Mumm zu haben, um der Mörder zu sein. Ja, er hatte Kontakte zu dieser Verbindung, bei der wohl alle Fäden zusammenliefen. Nein, er hatte keine Angst vor dem Mörder.

Ich schaute mir seine Aura an. Alles ganz normal, keine Verdrahtung, keine Magie. "Wir gehen, Dita." Und wir verließen sein Büro, nachdem Dita eine Wanze plaziert hatte. Auf dem Gang unterhielten wir uns einen Moment über das Gehörte, dann wollten wir zu Angel gehen.

Wir verließen gerade das Gebäude, da spürte ich, wie etwas knapp an meinem Kopf vorbeizischte und in die Wand neben mir einschlug. Gleichzeitig hörte ich den Knall. "Runter, Scharfschützen!", rief ich Dita zu und ließ mich fallen. Anschließend suchte ich nach dem oder den Kerlen, aber es war nichts zu sehen. "Scheiß-Troll", kam es von irgendwoher.

Dita entschied, wieder nach oben zu gehen und aus einem der Fenster zu schauen. Tatsächlich meldete sie sich kurz darauf. "Ich hab einen entdeckt." Eine kurz darauf folgende Explosion hinter einem halboffenen Fenster des Gebäudes schräg gegenüber zeigte dann, daß ihre Granate ein Ziel gefunden hatte. "Gib mir Deckung", meinte ich und warf mich vorwärts, immer zwischen den Autos bleibend. Die Altmayr hatte ich in der rechten Hand.

Ein plötzlich auftauchender Jugendlicher schoß eine MP-Salve auf mich ab, aber die Kugeln erschreckten allenfalls ein paar Vögel. Miserable Waffenqualität und -ausbildung. Ich sah ihn mir an: Jung, wahrscheinlich Gang, aber dafür zu gut gekleidet. Eher Student. Irgendwas in mir rastete durch. Tod allen Rassisten, dachte ich und drückte ab. Das 30-Millimeter-Vollgeschoß schlug glatt durch den Oberkörper meines Gegners, der wohl keine Panzerung angehabt hatte.

Pech, dachte ich und signalisierte Dita, abzuhauen ehe die Cops eintrafen.

Wieder einmal fuhren wir zu Angel, und kamen auf die Idee, über die Matrix diesen Professor Prem zu untersuchen, immerhin unsere vielversprechendste Spur - und, wie ich im Stillen dachte, vielleicht sogar unser Schmidt. Angel deckte los, und kurz darauf erfuhren wir, daß der Herr Professor gleich nach unserem Besuch telefoniert hatte - mit der Verbindung. Auch die Aufzeichnung der Wanze zeigte dies mit einem "Macht sie fertig". "Ich glaube, der hat diese Attentäter angerufen", meinte ich, und die anderen stimmten zu. "Dennoch wird er kaum den Mörder beauftragt haben - wenn er den hätte, bräuchte er nicht solche Armateure." Auch hier gab man mir schließlich recht.

Ich hatte die Schnauze voll. "Wir greifen uns jetzt den Typ, und dann reden wir Klartext", ergriff ich die Initiative, und Dita fuhr kurz darauf mit mir zur Uni. Wir prüften mittels der Wanze, ob Prem alleine war.

"Er ist da. Und allein." "Du gehst rein, Dita, ich stehe Schmiere. Und keinen Lärm." Kurz darauf kam sie wieder. Mit Prem. Eine schallgedämpfte Urban Combat MP ist ein nettes Argument, jemand zum Mitkommen aufzufordern. "Ich hole noch den PC", meinte ich, ging ins Büro und griff mir sämtliche Datenchips, die herumlagen. Dann rückten wir mit Prem in meinem Benz ab. Natürlich hatten wir ihn geknebelt, ihm Handschellen angelegt und die Augen verbunden, sobald er im Wagen saß.

Vorher? Heh, wir haben keine SIN, jedenfalls keine echte, und zumindest was mich betrifft, ich glaube, für diese Rassisten sieht ein Troll wie der andere aus.

Eine halbe Stunden später waren wir bei Angel, brachten Prem rauf und verhörten ihn, was dank der Methode "Böser Troll - gute Menschen" recht schnell ging. Ich brauchte nur meinen Schockhandschuh mit 8.000 Volt kurz herauszuholen und mir ein wenig die Finger zu massieren, schon redete der Professor.

Allerdings erfuhren wir nichts weltbewegendes. Ja, er hatte diese Typen auf uns angesetzt. Dann kam die Story rund um Ralf König, der wohl einen Unfall gehabt hatte. Es ging angeblich um eine Geheimformel von Beiersdorf, um Versuche mit irgendeinem speziellen Medikament und um dessen Nebenwirkungen. Die Daten wären auf einem der Chips aus dem Büro. Wie günstig.

Wir beschlossen, Prem hierzubehalten - allein schon zu seinm Schutz - und Dita und ich brachten ihn in den Keller. Das dauerte ein paar Minuten, in denen Angel die Daten analysieren und kopieren wollte.

Wir hatten gerade den Keller hinter uns gelassen, da hörten wir Schüsse in rascher Folge. "Eine automatische Waffe, wahrscheinlich MG", sagte Dita in meine Richtung. Die Geräusche kamen von draußen. "Angel", riefen wir simultan und rannten mit gezogenen Waffen - ich die Altmayr, Dita eine Urban Combat - nach oben.

Wir hatten fast Angels Wohnung erreicht, da schwiegen die Schüsse. Die Tür stand halb offen. Wir drangen vorsichtig ein. "Angel?" Es roch nach Feuer und Kordit, nach verschmorter Elektronik und Pulver. Der Korridor war von einigen Einschlägen in der Wand abgesehen okay. Aber das Wohnzimmer!

Die gesamte Rückwand war von Einschlägen großkalibriger Kugeln gesprenkelt, das Fenster und Teile der Außenwand zerfetzt, der Tabletop-PC nur noch ein rauchender Trümmerhaufen. "Angel?"

Da kam er uns entgegen, die rauchende Enfield-Sturmschrotflinte noch in den Händen. Keine Wunden, aber Schmauchspuren. "Ich bin okay, die Schüsse kamen von drüben. Ich denke, ich habe eine Drohne erwischt."

Die letzten Worte hörte ich kaum noch, denn ich rannte schon nach unten. Vielleicht war noch ein Gegner zu sehen?

Ich kam aus dem Hauseingang und blickte mich um. Nichts zu sehen. Doch, ein Stück die Straße runter, ich schätzte auf einhundert Meter, rannte jemand. Dunkle Motorradkombi, Helm, stieg jetzt auf eine Rapier. Ich traf meine Entscheidung.

Ein Gedanke, ich spürte seine Aura, synchronisierte den Fluß der Energie und fühlte, wie mich der Betäubungszauber verließ und sein Ziel erreichte. Der Kerl brach zusammen, und ich fühlte , wie die Magie ein wenig meiner Kraft aufgezehrt hatte.

Ich lief, so schnell ich konnte, und sammelte den Typen auf. Zum Glück wog er nicht viel. Kurz darauf brachte ich ihn in die Wohnung von Angel. "Ich habe einen erwischt. Wollen wir doch mal sehen." "Leg ihn auf den Sessel da." Ich erzählte jetzt von meiner besonderen Begabung, und so weiter.

Die Durchsuchung des Bewußtlosen begann. Ein Rigger-Fernsteuerdeck, eine MP, keine Identitätsnachweise, ein beglaubigter Ebbie mit 5.000 EC, das war's.

Ein Stimpatch machte ihn kurz darauf munter, zumindest für ein paar Minuten. Leider sah ich mich dann gezwungen, mit ihm weniger nett umzugehen, denn er wollte partout nichts über seinen Auftrag erzählen.

Ein gebrochener Finger überzeugte ihn. "Ich bin Rigger, naja, und dieser Swift hat mir 5.000 geboten, wenn ich zu dieser Wohnung 'ne Drohne schicke und alles umniete." "So so", meinte Dita,"zum Ausgleich behalten wir erstmal deine Ausrüstung. Heh, keine Sorge, Mann, dir passiert nichts, aber wo finden wir Swift?" "Keine Ahnung, er hat mich in einer Kneipe getroffen, aber ich habe gehört, er hat ein Versteck im alten Hafen, Sektor Sieben."

Seine Aura sah nach echter Angst aus, also beschlossen wir, ihn unterwegs abzusetzen.

Also fuhren wir los, und irgendwo an einer Bushaltestelle wurde der Bewußtlose abgeladen, mit einer kleinen Nachricht. Außerdem riefen wir, man ist schließlcih nett, anonym eine Ambulanz.

"Bevor wir uns um Swift kümmern, sollten wir noch einmal den fünften Kandidaten besuchen", regte ich an. Also schauten wir bei Jan Philipps vorbei, kamen aber zu spät. Die Leiche war sozusagen noch warm, die Wohnung durchwühlt, und Angel meinte gerade noch, an einem der Fenster eine Bewegung zu sehen - aber das war es denn auch schon. Also blieb uns nur noch der Hafen.

 

Nach einer halben Stunde erreichten wir den Bereich des alten Hafens, wo Swift seinen Schlupfwinkel haben sollte. Die Frage war nur noch, wo genau, aber da mußten wir uns eben vor Ort umhören.

Wir ließen den Benz und die Harley stehen und gingen zu Fuß weiter. Jede Menge dunkle, verkommene Lagerhäuser ragten zu beiden Seiten auf. Es roch nach brackigem Wasser, nach Urin, nach Fäulnis und Moder. Dazu fast völlige Stille. Dieser Bereich des Hafens wurde schon seit der Großen Flut von 2011 nicht mehr genutzt, er dient nur noch als Unterschlupf von Schmugglern, Piraten, Gangs und anderen Leuten dieses Stils. Ich hoffte im Stillen, nicht auf Piraten zu stoßen, denn die waren meist gut ausgerüstet.

Plötzlich erkannte ich vor uns die Umrisse einiger Norms, knapp ein halbes Dutzend. Trollaugen haben ihren Vorteil, aber auch Angel mit seinen Elfenaugen und Dita mit ihrem Zeiss-Dreier-System hatten natürlich keine Probleme mit der Dunkelheit.

Kurzes Belauern, wechselseitiges Winken mit den Waffen. Die Ganger hatten Schrotflinten, MPs, leichte Pistolen. Keiner von ihnen schien älter als zwanzig, aber ihre Abzeichen sagten mir nichts. "Laßt mich reden", flüsterte Dita, und tatsächlich machte sie ihre Sache gut. Keine fünf Minuten und einen Ebbie später waren wir im Besitz einer Wegbeschreibung zu Swifts Lagerhaus - mit den Worten "Bisher kam noch keiner von da zurück. Viel Spaß." Nun, das klang ja sehr beruhigend.

Wir folgten der Wegbeschreibung, die wir von der Gang bekommen hatten, und legten gute zweihundert Meter zu Fuß zurück, das ganze im Halbdunkel, mit feuerbereiten Waffen. Wurden wir irgendwo bereits erwartet? Da, endlich.

Das mußte das Lagerhaus sein, in dem sich Swift versteckte. Ob er anwesend war? Wir entschieden, auf alle Fälle einzusteigen, allein schon wegen der Spurensuche. Vielleicht war sogar ein kleiner Hinterhalt drin...

Das Türschloß war kein Problem, jedenfalls keines für die schallgedämpfte Browning von Dita. Zwei Kugeln, und wir konnten die Tür öffnen. Angel schlich als erster hinein, Schrotflinte feuerbereit, gefolgt von Dita. Ich gab von außen Deckung. Plötzlich MP-Feuer.

Die Kugeln verfehlten Dita und Angel knapp, und die feuerten zurück. "Eine Selbstschußanlage." "Hab sie." Die beiden begannen, sich drinnen umzusehen.

Plötzlich, ich wollte gerade den anderen folgen, schob sich eine Kunststoffscheibe aus dem Türrahmen und begann, den Eingang abzusperren. Ich sprang zurück nach draußen und sah, wie drinnen dichte gelbe Schwaden aus einigen Düsen im Boden strömten.

"Gas! Das ist verdammtes Gas", brüllte Angel, während er auf eines der verrammelten Fenster zurannte. Ich selber versuchte, ihm von außen zu helfen, hatte aber Pech: Die Fenster lagen auf einer Seite, an die ich nicht herankam wegen des Hafenbeckens. Er mußte sich da schon selber helfen.

Also zurück, ich griff zur Schrotflinte - Magie war mir zu kraftaufwendig - und nahm diese Kunststofftür unter Feuer. Zum Glück reichten zwei Kugeln, um sie zu zertrümmern. Ich stellte fest, daß kein Gas mehr da war, ging rein und sah niemand.

Doch, da war Angel, er hatte wohl den Kopf aus einem Loch gehalten, das er in eines der Fenster gehackt hatte, und er sah okay aus.

"Wie sieht's mit Dita aus", fragte ich Angel. "Keine Ahnung. Hab sie seit der Gassache nicht mehr gesehen Hallo, Dita, bitte melden?" "Ja, ich bin okay. Hatte ein Atemgerät. Wie geht's euch?" Puuh. Wir tauschten Infos aus, während ich einen Zugang in ein Nebengebäude aufbrach.

Dita hatte inzwischen über Kopfset gemeldet, daß sie ein kurzes Feuergefecht gehabt und wohl auch jemand getroffen hatte - allerdings mit der Caveat, und derartige Spielzeugpistolen sind schon gegen leichte Panzerung sinnlos. Jetzt stand sie einer Batterie Blendscheinwerfer gegenüber und konnte trotz Zeiss-Cyberaugen kaum etwas erkennen. Sie beschrieb ihren Standort gut genug, daß wir ihn erreichen konnten. Wir drangen durch das Nebengebäude vor, kletterten über eine Wendeltreppe. Keine weiteren Fallen.

Wir bogen um eine Ecke, gingen durch einen Korridor und wußten jetzt, Dita war im Raum links neben uns. "Vor uns, die Tür", sagte Angel in meine Richtung und rückte vor. Ich gab ihm Deckung und er ging durch. Nichts.

Der neue Raum hatte zwei weitere Türen, die frühere Einrichtung lag in verrottenden Fetzen herum, und Angel stieß die linke Tür auf. "Blendscheinwerfer, tatsächlich", rief er und gab Feuer. Pling, pling, pling. Die Scheinwerfer erloschen, der Lichtschein verschwand.

"Gute Arbeit", kam es von Dita, die jetzt wohl wieder mehr als nur Umrisse erkennen konnte. "Der Typ ist im hinteren Zimmer, ich sehe die Tür halb offenstehen", ergänzte sie. "Granate", signalisierte ich ihr. Die kurz darauf folgende Detonation zeigte, daß sie meine Idee umgesetzt hatte.

"Ich glaube die Schockgranate hat ihn erwischt, auf jeden Fall ging sie im Zimmer hoch. Scheiße!" Die letzten Worte Ditas gingen im Knattern einer automatischen Waffe unter und wir hörten nur noch einen kurzen Aufschrei.

"Dita, hier ist Angel. Wie sieht's aus ?" Kurze Stille, dann, ein Glück, meldete sie sich. "Der Kerl hat mich übel erwischt. Aaah. Ich falle bis auf weiteres wohl aus." "Okay, wir holen ihn uns", antwortete ich. Offensichtlich waren wir endlich auf den ominösen Swift gestoßen, mußten ihn "nur" noch erwischen.

Ich stieß vorsichtig die Tür zum Raum neben dem, wo sich Swift aufhalten mußte, auf, während Angel an der Seite die andere Tür im Auge behielt. Dita war zwar verletzt, sagte aber, sie könne schon aufpassen, daß Swift nicht an ihr vorbeikäme.

Kaum war ich einen halben Meter weit, knallten auch schon überall Kugeln durch die Gipswand. Ich warf mich zurück. Zum Glück schoß der Kerl noch blind, aber es erschienen erste richtige Löcher. Explosivgeschosse.

"Ich glaube ich sehe ihn", rief Angel und hob seine Sturmschrotflinte. Bevor er abdrücken konnte, knallte eine Salve in seine Richtung, die ihn zurückschleuderte. "Bist du okay", fragte ich, und er antwortete: "Meine Schulter ist hinüber." Offensichtlich hatte Swift auch noch verdrahtete Reflexe.

 

Jetzt wußte ich, daß wir alles auf eine Karte setzen mußten. Ich rief nach Charlie - mein Erdelementar von vorhin - , und er meldete sich auch prompt aus dem Astralraum. Dann synchronisierte ich mich stärker mit der Astralebene und öffnete den einen meiner Zauberspeicher. Ein Fluß magischer Energie und das Gefühl, plötzlich viermal schneller zu sein, zeigten mir, daß die Magie erfolgreich meine Reaktionen beschleunigte.

"Charlie, ich brauche alles von dir. Stürme diesen Raum und greife seinen Insassen an. " 'Du hast mir treu gedient, sorry', hängte ich in Gedanken an. Dann checkte ich meine Defiance Schrotflinte, die Smartverbindung in meiner Handfläche zeigte, daß die Waffe geladen und 100% einwandfrei war, und ich gab meinen Kameraden ein Zeichen, daß ich angreifen wollte.

Charlie materialisierte, ein unförmiger Erdklumpen mit Beinen, knappe 1,20 Meter hoch, und stürmte direkt vor mir in den Raum.

Das Sturmgewehr des Killers knatterte los und die erste Salve traf Charlie, der seine materielle Existenz in einer riesigen Staubwolke einbüßte. Ich war einen Meter hinter ihm und konnte immer noch keine Schußlinie auf den Kerl bekommen. Also weiter.

Ein kurzer Schmerz in meiner Aura bestätigte, Charlie war nicht mehr. Und da schwenkte auch schon die Mündung des Sturmgewehrs herum, und ich sah, wie es eine weitere Salve Explosivgeschosse ausspuckte. Ich versuchte, mich zur Seite zu werfen, war aber zu langsam.

Eine der Kugeln traf voll meine Schulter, und ich fühlte, wie sie das Kevlar der Panzerjacke zerfetzte wie Papier. Ein tierischer Schmerz, ich konnte den linken Arm kaum noch fühlen, und irgendwelche Feuchtigkeit lief über meinen Bauch und den Oberschenkel.

Scheiße! Ich biß die Zähne zusammen, zum Glück hatte der Treffer meine Trollmassen nicht umwerfen können, und zog die Defiance auf den endlich sichtbaren Typen durch. Alles oder nichts, dachte ich, als der Lauf das erste Vollgeschoß entließ.

Treffer! Ich sah den Kerl zurücktaumeln, sah Blut an seiner Schulter, seine Rüstung hatte ihm nicht geholfen. Ich zog noch einmal durch. Dank meiner Trollkräfte war die Waffe immer noch genau im Ziel, auch wenn das Schockpolster einen blauen Fleck an meiner linken Hüfte hinterlassen htte, jedenfalls fühlte es sich danach an.

Die zweite Kugel traf etwas höher, der Helm des Kerls öffnete sich wie eine Blume, Blut spritzte und er sackte zusammen.

Ich war gerade beim Ausatmen, da knatterte hinter mir eine Waffe los. Zum Glück war nicht ich das Ziel, sondern die Leiche des Killers. Angel war zu langsam gewesen, um den Schuß noch stoppen zu können, oder er brauchte einfach ein Ventil, keine Ahnung, auf jeden Fall zerfetzten die Explosivgeschosse seiner Enfield den Gegner bis zur Unkenntlichkeit, und eine zweite Explosion zeigte an, daß wohl dessen Reservemuni hochgegangen war.

Wir hatten es geschafft, wir hatten überlebt. Ich stürmte vor, nein, keine weitere Gefahr.

Nun war es an der Zeit, unsere Wunden zu versorgen, und davon hatten wir reichlich. Eine Kugel mehr, und ich wäre in die ewigen Jagdgründe geschickt worden, trotz Magie und allem.

Ich nutzte die Atempause, um einen kleinen Zauber zu wirken, der meine Schmerzen wegnahm. Das tat schon einmal gut, und verschaffte mir die Möglichkeit, mich auf richtige Heilmagie zu konzentrieren. Keine zwei Minuten später war ich wieder fit und schaute mir die Verletzungen der anderen an.

Dita hatte sich bereits notdürftig verbunden, und viel mehr konnte ich auch nicht tun. Zuviel Cyberware, sorry, aber da ließ sich keine Magie mehr wirken. Und Angel? Tja, der wollte lieber auf seinen Doc warten, den er angerufen hatte. "Schon deine Kräfte", sagte er. Seine Sache, ich war jedenfalls bisher nicht erschöpft, aber ich wollte niemand zu seinem Glück zwingen.

Also rief ich mir einen neuen Beobachter, sicher ist sicher - die Zauberspeicher hatte ich allerdings schon längst wieder abgeschaltet - und befahl ihm, den Astralraum zu überwachen. Ein paar Minuten später kam der Straßen-Doc, den Angel kontaktet hatte, und verband seine Wunden sowie die von Dita. Sie schien heute aber echtes Pech zu haben, denn auch der Doc konnte nicht viel ausrichten. Ich schwatzte ihm noch eine Kühlbox ab - um die Hand des Killers mit den Klauen mitzunehmen, sozusagen als greifbarer Beweis - und der Doc verschwand.

Kaum war er weg, kam schon der nächste Wagen, und das in einem abgelegenen Lagerhaus! Diesmal waren es unsere alten Freunde von Beiersdorf, denen wir den Datenchip übergaben und im Gegenzug die 20.000 EC kassierten. Schade nur, daß sie nach Kopien fragten, und echt doppelt schade, daß dieser depperte Decker sie ihnen auch noch gab! Egal, die Kerle verschwanden auch wieder schnell, nach einem Lächeln und dummen Bemerkungen, und wir sahen auch zu, daß wir wieder in zivilisierte Gegenden kamen.

Jazz, den wir einige Zeit später trafen, sagte der Schmidt wäre sehr zufrieden, er nahm die Hand mit und wir bekamen unsere Kohle mit einem kleinen Bonus. Bei der Gelegenheit erfuhren wir auch, daß unser Schmidt wohl mit einem der Opfer verwandt war - und nicht Prem, denn, wie uns gerade einfiel saß der noch in Angels Keller! Naja, für uns war Schluß, es war Zeit, nach Hause zurückzukehren.

Wir fuhren nochmal zu Angel, um Prem freizulassen. Das war auch kein Problem, nur war Angels Wohnung vollständig ausgebrannt. "Was ist passiert", fragten wir ihn, nachdem er mit der Feuerwehr gesprochen hatte. "Nun, ich hatte doch die Elektroschockmatte angeschlossen, als neues Sicherheitssystem, nach der Geschichte mit dem Rigger." "Und?" "Tja, die Matte war wohl etwas stärker - irgendwer brach in die Wohnung ein und löste die Matte aus - leider hatte er einen Napalmbrandsatz dabei. Ach ja, die Stromversorger suchen mich wegen einer Rechnung über 10.000 EC..."

Es sollten knapp zwei Wochen verstreichen, ehe ich jemand von diesem Run wiedersah. Ich hatte mich magisch fortgebildet und ein paar Ritualjobs erledigt, da klingelte es doch abends an meiner Wohnungstür. Ich schaute durch den Spion und sah einen einzelnen Norm, gutaussehend, eher jung, Anzug. "Ja, bitte?" "Herr Faust?" Der Kerl schien gut informiert, mutig und zu wissen, wa er wollte. Ich bat ihn rein, und er kam auch gleich zur Sache. Ob ich einen Job erledigen könnte, er hätte gehört, die Nationale Aktion plane eine üble Terrorgeschichte gegen Metamenschen. Ich verlangte mehr Details.

Er erzählte, daß man wohl einen ihrer Topführer, einen gewissen Karl Petersen, aufgespürt hätte, der extra für die Aktion nach Hanburg gekommen wäre. "Den müssen wir ausschalten. Er hat schon hunderte von Menschenleben auf dem Gewissen", meinte Schmidt. "Wir bräuchten einen Magier, denn mit Zauberei rechnet er nach unseren Informationen nicht", ergänzte er. Man bot mir 5.000 EC. Ich verlangte nur die Hälfte, zuzüglich eines Kontaktes zu einer magischen Gruppe.

"Da muß ich kurz telefonieren", sagte er, tat dies und sagte dann "Alles klar. Aber der Auftrag muß spätestens morgen 10 Uhr erledigt sein." Ich sah auf meine Uhr: 20 Uhr abends. Ich nahm an und erhielt ein Foto und den Hinweis, in welchem Hotel Petersen abgestiegen war.

Tja, damals hatte ich noch nicht viel Erfahrung mit "Schattenläufen", also ging ich erstmal davon aus, daß die Sache so weit in Ordnung war. Ich hatte Schmidt askennt, er war nur schwach vercybert, und keinen Grund zum Mißtrauen.

Moment, sagen Sie, aber dieser Auftrag ist doch ganz klar Wetwork. Was ist mit Ehre und so weiter? Vergessen Sie's, Kumpel. Erstens, der Kerl war ein Rassist, und zweitens - waren Sie schon mal in der Situation, nichts mehr auf dem Ebbie zu haben, und zu überlegen, ob Sie nicht Ihre Ausrüstung versilbern? Ich konnte es mir damals nicht leisten, allzu wählerisch zu sein.

Aber zurück zum Thema Mißtrauen. Sicherheitshalber rief ich Angel an und gab ihm den Auftrag, Infos über Karl Petersen auszugraben. Er versprach, sich bis Mitternacht zu melden.

Inzwischen kam mir der Gedanke, daß ein Elementargeist hilfreich sein könnte. Also fuhr ich kurz darauf los zu der Lagerhalle, wo ich meine Ritualkreise vorbereitet habe. Ich hielt einen Feuerelementar für das Beste und brachte dann die nächsten zwei Stunden mit der Beschwörung zu.

Alles klappte, und ich war um halb elf wieder in meiner Wohnung. Etwas später war Angel in der Leitung. Er hatte nicht viel gefunden: Es gab einen Karl Petersen, und er war Topführer der NA. Leider hatte er kein Foto auftreiben können. Ich überwies ihm 1.000 für die Mühe und bat ihn, sich bereit zu halten, für den Fall, daß ich ihn nochmal brauchte.

Dann fuhr ich zu dem Hotel und sah mir die Umgebung an.

Das Parkhotel, wo Petersen abgestiegen sein sollte, lag in Seevetal, einem Viertel am Stadtrand von Hamburg. Vom Plex bekam man dort nicht viel mit, es war ruhig und friedlich. Fast kein Verkehr.

Die Straße war wie ausgestorben. Im wesentlichen sah ich Geschäftsgebäude mit Schaufenstern, alle mit Flachdach und maximal zwei Etagen hoch - vermutlich noch aus dem letzten Jahrhundert. Das Hotel selbst war eher untere Mittelklasse: Keine erkennbaren Wachen oder Sicherheitseinrichtungen, drei Stockwerke, Parkplatz.

Ich fuhr wieder nach Hause und überlegte, wie ich am besten vorgehen sollte. Die Dächer schieden wohl aus. Klar, sie boten einen guten Überblick, aber wahrscheinlich kam ich nicht schnell genug runter, und schnelle Flucht erschien mir sehr wichtig. Überhaupt, Flucht. Ich brauchte einen Fahrer.

Dita! Irgendwo war doch ihre Nummer. Aha. Ich wählte. Düüüüt-düüüüt-düüüüt. Nach dem fünften Klingeln hob der Anrufbeantworter ab. Mist! Sie war also unterwegs. Ich hinterließ eine Nachricht, aber damit war ich wohl auf mich allein gestellt, denn weitere Chummer kamen für diesen Job nicht in Frage.

Daher legte ich mich schlafen und stellte den Wecker auf 7 Uhr 30.

Am nächsten Morgen wurde ich pünktlich geweckt, legte meine Ausrüstung an und fuhr nach einem hastigen Frühstück wieder zum Parkhotel, wo ich gegen 8 Uhr 30 ankam. Nach allem, was Schmidt gesagt hatte, würde Petersen gegen halb zehn das Hotel verlassen. Mir blieb also eine Stunde, und so wie die Gegend aussah, mußte er auf dem Weg zum Parkplatz über die offene Straße.

Dennoch, eine kleine Erkundung konnte nicht schaden. Ich konzentrierte mich kurz und veränderte mein Aussehen mit einer kleinen Körpermaske. Nun sah ich aus wie ein 2 Meter großer Norm, was wohl reichen würde.

Ich ging ins Hotel, immer auf den Spruch konzentriret.

Die Vorhalle war fast ausgestorben. Einige unmoderne Sessel standen herum, der Boden bestand aus billigem Kunststoffbelag. Ein Fahrstuhl geradezu, eine Treppe daneben, dann noch ein Korridor und ein paar Türen. Nicht zu vergessen den Rezeptionstisch, wo ein knapp fünfzigjähriger, fast haarloser Norm hinter einem kleinen Tabletop saß.

"Guten Morgen", knurrte er mir entgegen. Ich erwiderte den Gruß. Anschließend erzählte ich ihm eine Story von wegen, ich wäre ein Freund von Herrn Petersen. "Hier wohnt kein Herr Petersen." "Ach, ich vergaß, er steigt meist unter einem Decknamen ab, wegen der Presse. Hier ist ein Foto." "Ja, den kenne ich", meinte der Kerl, "soll ich Sie anmelden?" "Danke, wird nicht nötig sein, ich wollte ihn überraschen. Welches Zimmer hat er denn?" "Das darf ich Ihnen nicht sagen, bedaure."

Ich hatte echt keine Lust, ihm ein Trinkgeld hinzulegen, also verabschiedete ich mich mit den Worten: "Ich werde ihn nachher besuchen, wenn er gefrühstückt hat" und ging zurück zu meinem Auto, das ich gut hundert Meter entfernt geparkt hatte.

Blieb die Frage, wie ich vorgehen sollte.

Nach allem, was ich gehört hatte, war nicht mit magischer Sicherheit zu rechnen, Trolle oder Zwerge, die mit ihren Infrarotaugen meinen Spruch durchschauen könnten, würde die NA wohl kaum dabeihaben - damit sah ich gute Chancen für einen Unsichtbarkeitszauber.

Also konzentrierte ich mich kurz, rezitierte die Formel und fühlte, wie sich das magische Feld um meinen Körper legte. Seine Aufrechterhaltung würde ein wenig Aufmerksamkeit kosten, aber das mußte ich riskieren.

Kurz nach neun plazierte ich mich dann unsichtbar auf der dem Hoteleingang gegenüberliegenden Straßenseite mit guter Sicht auf die Tür. Ich brauchte nicht lange zu warten.

Kein Verkehr auf der Straße, doch, da. Ein Van näherte sich von der anderen Seite, hielt beim Hotelparkplatz. Vermutlich Petersens Transportmittel.

Ich behielt den Wagen im Auge, an dem sich jetzt eine Schiebetür öffnete.

Kurz darauf ging auch die Hoteltür auf, und heraus kamen drei Menschen. Ich schaute genauer hin. Ja, der mittlere war Petersen, mein Ziel. Niemand schien mich zu entdecken. Es galt.

Da stand ich also und mußte mich schnell entscheiden. Wahrscheinlich war es ohnehin falsch, irgendeine innere Stimme sagte mir, ich sollte den Run schmeißen, aber ich ignorierte sie. Ein kurzer Moment der Konzentration, ich fühlte Petersens Aura, und schon war der Energieblitz unterwegs. Der Unsichtbarkeitszauber störte kaum meine Konzentration, ich fühlte fast keinen Widerstand beim Ziel.

Praktische Sache übrigens, dieser Spruch, denn anders als man bei dem Namen vielleicht glauben würde, ist gar kein Blitz zu sehen, außer im Astralraum. Das Opfer wird einfach von innen geröstet - puff. Also blieb mein Standort unbekannt - kein Mündungsfeuer, nichts.

Ich sah, wie Petersen zusammenbrach, offensichtlich stark verbrannt. "Mach sie platt", rief ich meinem Feuerelementar zu und setzte mich ab, ohne das Ergebnis abzuwarten.

Es roch nach Feuer, und hinter mir hörte ich Schreie und Fauchen, dazu Schüsse und Hilfeschreie. Ich schlüpfte in die nächste Gasse, ließ den Unsichtbarkeistzauber fallen und wirkte eine Körpermaske.

Keine zwei Sekunden später spazierte ein 2 Meter großer Norm die Straße herunter und stieg in das abfahrbereit geparkte Auto. Ich gab Gas, sah noch einmal in den Spiegel. Keine Verfolger. Alles schien gutgegangen zu sein, und während die Polizeisirenen näherkamen verschwand ich seelenruhig in Richtung City.

Es gab keine Zwischenfälle, und ich kam kurz nach halb elf bei meiner Wohnung an, wo ich mir erst einmal einen Soykaf und ein zweites Frühstück genehmigte.

Nachdem nun der Job erledigt war, blieb also nur noch eins : Meinen Schmidt anrufen und kassieren. Aber da war immer noch diese innere Stimme. Also schaltete ich das Trideo an.

"...In den späten Morgenstunden wurde heute der bekannte Metamenschenrechtler Ingo Heidmann vor einem Hotel in Seevetal mitsamt seiner zwei Leibwächter umgebracht. Die Leibwächter fand man verbrannt vor dem Hotel, Heidmanns verkohlte Leiche wurde kurz darauf von seiner Assistentin der Polizei übergeben." Bilder vom Hotel wurden eingeblendet, dazu weiter eine schmalzige Frauenstimme.

"Ingo Heidmann, der heute offensichtlich durch Magie getötet wurde, wollte eigentlich Beweise gegen die Nationale Aktion präsentieren. Seine Assistentin verweigerte hierzu alle Antworten. Die Polizei fahndet nach den Tätern, sieht aber praktisch keine Chance, die Urheber des professionell ausgeführten Attentates dingfest zu machen."

Ich schaltete ab. Scheiße verdammte! Also hatte mich Schmidt doch noch verarscht. Aber ich mußte sichergehen. Ich wählte seine Nummer.

"Ja, hallo?" Das war seine Stimme. "Hier ist Faust..." Klick. Die Ratte hatte einfach aufgelegt.

Ich kochte vor Wut. Klar, ich hatte gehört, daß nicht jeder Schmidt die Wahrheit sagt, aber so eine linke Tour hatte ich nicht erwartet. Was tun?

Die Idee lag eigentlich auf der Hand: Ich hatte Schmidt askennt, kannte seine Aura. Eigentlich sollte ein Watcher ihn aufspüren können, es sei denn, er war magisch abgeschirmt, und daran glaubte ich nicht.

Also stimmte ich mich auf den Astralraum ein und gab meinen Wünschen Struktur. Der Watcher, eine kleine Kugel mit Glubschaugen, erschien kurz darauf. "Was willst du, Meister?" Ich gab ihm den Befehl, Schmidt zu suchen und mir seinen Aufenthaltsort mitzuteilen, und zeigte ihm Schmidts Auraschwingungen. "Zu Diensten, Meister."

Der Watcher verschwand. Ich hoffte, daß seine Intelligenz für den Job reichen würde, denn Beschwören ist nicht meine starke Seite. Egal, jetzt konnte ich nur warten, und das tat ich.

Gut zwei Stunden später spürte ich an den Schwingungen im Astralraum, daß der Watcher zurückkam. "Ich habe ihn gefunden, Meister, oh ja." Die Kugel hüpfte fröhlich auf ab. "Ruhig. Wo ist er?" Das Bild von Schmidts Aufenthaltsort wurde mir übermittelt. Wulmstorf, gar nicht so weit weg also.

Ich suchte meine Ausrüstung zusammen, während der Watcher sich auflöste. Die Altmayr wurde überprüft. Geladen? Ja, Munimix, perfekt. Dazu die Defiance Schrotflinte, mit Vollgeschossen. Zum Schluß den gefütterten Duster.

Kurz darauf saß ich in meinem E-160 auf dem Weg nach Wulmstorf. Immer wieder der Blick in den Spiegel, verfolgte mich nicht doch jemand? Nichts zu sehen, normaler Verkehr.

Endlich in Wulmstorf. Die Häuser hier waren meist schon über 100 Jahre alt, langgestreckte, vierstöckige Dinger mit einem Giebeldach, wie sie heute niemand mehr bauen würde. Der Zustand? Mies, sehr mies. Abblätternder Putz, fehlende Dachziegel.

Auf den Straßen alte Autos, oft mehr Rost als Lack. Dennoch kaum Gangs, wenig Penner und Obdachlose. Soweit ich wußte, ein altes Arbeiterviertel, und jetzt eine der Hochburgen der Rechten, also mußte ich die Augen offenhalten.

Ich parkte den Wagen unweit der Behnstraße 17, wo Schmidt wohnen sollte. Eine kurze astrale Erkundung zeigte mir, daß er zuhause war. Und alleine. Perfekt. Was nun? Erstmal ran.

Die meiste Ausrütung blieb im Wagen, sogar die Zauberspeicher. Nur das Telefon und die Klamotten behielt ich und suchte mir einen geeigneten Ort.

Da: Ein ruhiger Hauseingang. Ich duckte mich hinein, und konzentrierte mich auf eine Formel, die ich lange nicht mehr benutzt hatte, nicht mehr seit meiner Diplomprüfung. "Mutabilis", murmelte ich vor mich hin, und spürte die magische Energie durch meinen Körper fließen.

Die Kleidung fiel zu Boden, ich spürte, wie ich kleiner wurde, wie ich Flügel bekam, mir Federn wuchsen. "Tschilp."

Ich brauchte einen Moment, mich an die Spatzenperspektive zu gewöhnen und den Flug in den Griff zu bekommen. Dann schwang ich mich in die Luft, bis hin zu Schmidts Etage. Kein Zwischenfall.

Ich landete auf einer Fensterbank seines Wohnzimmers. Das Fenster stand einen Spalt offen. Sollte ich es riskieren? Und dann? Ich entschied anders. Schmidt war gut zu sehen. "Tschilp", sagte ich ohne großes Nachdenken.

In diesem Moment sagte ich mir, daß Schmidt genauso sterben sollte wie Heidmann. Betrüge keinen Zauberer, heißt es nicht umsonst auf der Straße. Die Konzentration auf den Verwandlungszauber lenkte mich ein wenig ab, aber es reichte dennoch.

Der bewährte Energieblitz formte sich, bewegte sich blitzschnell durch den Astralraum, traf Schmidts Aura.

Asche rieselte zu Boden, während ich spürte, wie der Spruch mich erschöpfte. Ich flog davon, müde, aber etwas zufriedener als vorher. Die Rache war gewirkt.

Eine Minute später landete ich bei meinen Klamotten und gab den Zauber auf. Plopp. Mein Körper entfaltete sich auf Originalgröße, ich zog mir schnell den Mantel über, ehe irgendwer mich im Adamskostüm sehen konnte - und da klingelte auch schon mein Handy.

Ich unterdrückte den Wunsch, mit den Flügeln zu schlagen, und griff in die Manteltasche. "Ja?" "Hi, Faust. Hier ist Dita. Wir haben da ein Problem. Muß dich schleunigst treffen." "Trifft sich, ich habe auch ein Problem. Bin verarscht worden." "So? Ich habe gerade einen Klienten verloren. Aber das erzähle ich dir gleich. Wir treffen uns in einer halben Stunde in meiner Wohnung." Sie gab mir die Adresse, und ich machte mich auf den Weg.

Was war jetzt wieder los? Hatte sie vielleicht einen Run aufgetan?

Ich sollte es erfahren, als ich gegen halb eins bei Dita ankam. Angel war nicht da, wie ich kurz darauf hörte, war er anderweitig beschäftigt, stand aber für einen Matrixjob zur Verfügung. Stattdessen ein fremdes Gesicht.

"Das ist Lou, ein Rigger. Lou, das ist Faust." Abschätzende Musterung, wechselseitig. Ich sah einen Kerl im Trenchcoat, knapp dreißig, Norm, ungepflegt, leichte Whiskeyfahne. Moment, den kannte ich doch!

"Warst du nicht im Hard-Rock-Café, als uns Jazz angeheuert hatte?" "Klar, habe ich schon mit Dita bemerkt. Auf gute Zusammenarbeit." Er prostete mir mit einer Taschenflasche zu.

"Na dann erzählt mal", meinte ich anschließend. "Wo hast du einen Klienten verloren?"

Ihr ahnt schon was, Chummers? Abwarten.

"Heute morgen. Ich sollte auf so'nen Metamenschenrechtler aufpassen, aber es hat uns kalt erwischt?" "Wieso?" Ich gab mir Mühe, cool zu bleiben. Auch das noch! "Man hat Magie gegen uns eingesetzt, und 'nen Feuergeist. Ich wär fast verbrannt." "Und du?", fragte ich Richtung Lou.

"Ich war in meinem Van, hatte eine Drohne oben. Ich sollte die Sache beobachten." "Keine Kampfdrohnen? Hast du nicht eingegriffen?" "War nicht mein Job, dafür wurde ich nicht bezahlt." Ein wütender Seitenblick von Dita.

Die Sache wurde immer merkwürdiger.

"Klingt nach einem hermetischen Magier, tja, mit Magie muß man immer rechnen. Amateure. Hättet ihr mich nicht anrufen können? Dann wäre das wohl nicht passiert." Wie wahr, wie wahr, dachte ich mir im Stillen dazu.

"Nun, meine Schmidt sagte, mit Magie wäre nicht zu rechnen, und..." "Damit muß man heute immer rechnen", unterbrach ich Dita. "Na, jedenfalls, ich denke, der Täter war hermetischer Magier. Der Feuergeist, wenn es denn einer war, spricht jedenfalls gegen einen Schamanen. Habt ihr vielleicht ein paar Bilder?"

"War gerade dabei, alles aufzubereiten. Ist unten in meinem Van", sagte Lou. Also gingen wir dorthin und studierten das Bildmaterial. Nichts zu sehen, was einen Mörder betraf.

Ich gratulierte mir nochmal zu meinem Glück. Das einzige, was es gab, war ein verwaschenes Infrarotbild von einer Zehntelsekunde - erinnert ihr euch noch, der Unsichtbarkeitszauber nützt nichts gegen Infrarot? - und ein Mercedes von hinten, bei dem man das Kennzeichen nicht sehen konnte. Nochmal puuh. Ich glaube, ich hätte echte Erklärungsprobleme bekommen.

"Und jetzt?", fragte ich. "Wir sollen den Mörder finden", erklärte Dita. "Für dich sind 10.000 drin." "Gleicher Auftraggeber?" "Jein. Es ist meine Schmidt, aber Lou hatte einen anderen Auftraggeber."

Ich blickte Lou an. "Schon bezahlt?"

Bevor er antworten konnte, meldete sich erneut Dita. "Du sagtest, du hättest auch ein Problem?" "Jetzt nicht mehr. Ich habe es sozusagen erledigt. Nicht so wichtig." Ich mußte irgendwie ablenken.

"Lou, wann triffst du deinen Schmidt?" "Heute Abend im Astraeck." "In der Nazikneipe?", fragte ich entsetzt.

Bei der Gelegenheit sollte ich vielleicht ein paar Erklärungen geben. Das Astraeck liegt in Wulmstorf. Eigentlich eine kleine langweilige Kneipe, wie es sie zu hunderten gibt. Nur daß in diesem Fall Hitlerbilder an den Wänden hängen, Metamenschen nicht bedient werden und die NA alle Hinterzimmer benutzt. Ja, ich war schon da. Vor der " Wahrscheinlichkeit eins zu einer Million, völlig unverständlich, wie das passieren konnte"- Verwandlung in einen Troll, versteht sich. Aber das tut hier nichts zur Sache.

Ich informierte die beiden Nichtsahnenden über die NA und erkundigte mich unauffällig nach Schmidts Aussehen. Lous grobe Beschreibung schien doch sehr auch auf meinen Schmidt zu passen - vor meinem Besuch, versteht sich.

Wir beschlossen, Angel darauf anzusetzen, Infos über die NA zusammenzutragen, und unterhielten uns weiter über mögliche Mörder. Wir landeten immer wieder bei der NA.

Es half alles nichts, Lou mußte seine Verabredung wahrnehmen.

Inzwischen hatte Angel sich wieder gemeldet, und uns mit Namen versorgt hinsichtlich der NA. Dieter Hansen, Friedrich Naumann und Stefan Klein, das waren die wesentlichen Führer im Raum Hamburg, jeder per Haftbefehl gesucht. Außerdem schien man im Untergrund von einer bevorstehenden großen Aktion der NA zu munkeln, irgendeinem Schlag gegen Metamenschen, für den große Mengen Waffen besorgt werden sollten.

"Ob das die Sache war, die der ermordete Heidmann aufdecken wollte?" "Hat er keine Aufzeichnungen hinterlassen?" Leider nein. Aber weiter mit Angel.

Die NA sollte in Hamburg knapp 50 Aktivisten haben, dazu massive Unterstützung durch einen Hapag-Manager, einen gewissen Dietmar Rohnbusch, und auch dieser Stefan Klein sollte eigentlich Exec eines Megakons sein.

Allmählich wurde es aber Zeit fürs Astraeck. Wir fuhren im Van von Lou, das heißt, Dita nahm ihre Harley, und erreichten den Laden kurz vor acht. Mir schwante da so etwas, daß Lous Schmidt wohl nicht kommen würde, aber es blieb abzuwarten. Sicherheitshalber sollte Dita vorher in die Kneipe gehen und alles im Auge behalten, Lou plazierte eine Wanze an seinem Kragen und startete eine Überwachungsdrohne.

"Du kannst im Van alles mithören, und hier, dieser Monitor zeigt das Bild der Drohnenkamera." Ich bestätigte und blieb im Van, denn für einen Troll ist das Astraeck nun wirklich kein Laden. Außerdem wollte ich weder provozieren noch mich auf eine Körpermaske verlassen müssen.

Dita ging als erste in die Gaststätte, wie geplant. Lou folgte ihr ein paar Minuten später. Das war es dann bis auf weiteres. Ich vertrieb mir die Zeit, indem ich die Armaturen des Vans studierte und ab und zu auf den Videomonitor schaute.

Zehn Minuten waren vergangen, seit Lou in die Kneipe gegangen war, und immer noch nichts. Auch die Wanze an seinem Kragen übertrug nur normale monotone Kneipengeräusche.

Jetzt betraten vier neue Leute das Astraeck, aber ich konnte keine Waffen entdecken. Da hieß es abwarten und hoffen, daß meine Chummer wußten, was zu tun war.

Den Rest bekam ich nur über Audio mit.

"Guten Abend, meine Herren", hörte ich Lou sagen. "Scheiß was, du kommst jetzt mit. Klick." "Aber was soll denn das?" Ich dachte mir meinen Teil. Vermutlich war etwas schiefgegangen. Da war auch schon eine Bewegung am Eingang.

Scheiße! Die Videoüberwachung der Drohne zeigte Lou, der von zwei Typen mit MPs bedroht wurde. Zwei weitere Kerle folgten ihm. Alle vier waren typische NA-ler: Blond, kurze Haare, dunkle Klamotten.

Wozu hatten wir eigentlich Dita mit in den Laden geschickt? War sie ausgeschaltet worden? Aber nein, da kam sie schon, vielleicht eine halbe Minute hinter den NA-Schlägern.

Ich schaute mir die Armaturen an, die Talentsoft in meinem Schädel sagte mir, daß ich diesen Van problemlos fahren könnte, und da sah ich auch schon, wie Lou von seinen vier Begleitern in einen alten Mercedes E-160 gezwängt wurde, der losfuhr.

Während Lou über die Wanze leise eine Wegbeschreibung durchgab, die ich über das Audiosystem gut mithören konnte, fuhr ich hinterher. Dita hatte schon längst Gas gegeben, mich überholt und sich hinter den alten Benz der Entführer gehängt.

Es ging einige Minuten quer durch Hamburg, schließlich Richtung Hafen. Ich ahnte etwas - vermutlich wollten sie Lou hier versenken. Jetzt aber schnell.

Ich gab Gas und suchte nach den Orten, die Lou beschrieben hatte. Keine Probleme, aber was sollte das Gerede, daß der rote Knopf auf dem Armaturenbrett vielleicht wichtig wäre?

Ich fuhr auf das Hafengelände, die Soft schien auch jetzt keine Probleme mit dem unvertrauten Van zu haben, und orientierte mich am Geräusch, das mir Lous Wanze vermittele, bis es plötzlich nach einem Platschen verstummte. Kamen wir etwa zu spät?

Aber jetzt konnte ich endlich Ditas Harley sehen, und hörte auch schon Schüsse aus MPs in raschem Wechsel. Noch schien Dita aber nicht getroffen, sie kauerte an der Ecke eines Lagerhauses. Ihre Ziele blieben für mich im toten Winkel, also fuhr ich näher ran und bremste dabei ab.

Wieder knatterte Ditas MP, aber ich konnte nicht sehen, ob sie etwas getroffen hatte. Weitere Schüsse waren die Antwort. Endlich stand der Van, und ich stieg aus.

Ein Gedanke, und mein Zauberspeicher war aktiviert. Meine Reaktionen beschleunigten sich, und ich rannte zu Ditas Position, blickte vorsichtig um die Ecke. Die vier Kerle hatten sich gut fünfzig Meter entfernt um ihr Auto herum in Stellung gebracht und schossen mit MPs. Einer schien verletzt. Von Lou war nichts zu sehen.

Hier war ein Flächenzauber angebracht. Kurze Konzentration, die Formel nahm in meinem Gehirn Gestalt an und formte die Astralenergie nach meinem Willen. Ich fühlte, wie die Woge von mir ausging und unsichtbar ihr Ziel erreichte. Da!

Die vier Kerle brachen wie vom Blitz getroffen zusammen. "Das wär's", meinte ich zu Dita und wollte losrennen. Da sah ich eine Bewegung über dem Wagen. Sah aus wie eine Kampfdrohne.

Ich versuchte einen Energieblitz, aber er verpuffte wirkungslos. Die Drohne war einfach zu technisch.

"Hey, Leute, hier ist Lou", hörte ich eine Stimme aus Ditas Kopfset. "Keine Sorgen wegen der Drohne, das ist meine. " Der ahnte ja gar nicht, wie knapp das Ding der Vernichtung entgangen war...

Jetzt stürmte ich zu den Typen, Dita folgte mir, und wir erreichten kurz darauf den Mercedes. "Die sind alle bewußtlos", meldete Dita nach einer kurzen Untersuchung.

Wir entschieden, einen mitzunehmen, und packten auch ihre Waffen ein: HK 227 mit Smartverbindung, echt gute Ausrüstung. Inzwischen kam auch Lou an.

"Wo hast du gesteckt?" "Bin ins Wasser gesprungen, da rüber geschwommen und habe eine Drohne gestartet." Mir schauderte bei dem Gedanken. Wasser? Eine sehr schmeichelnde Bezeichnung für die Brühe, und der Geruch, der von Lou ausging, bestätigte meine Einschätzung.

"Wir sollten zwei Wanzen anbringen, eine an einem Kerl, eine am Wagen." Lou setzte seinen Vorschlag auch gleich um, und wir durchsuchten den Wagen. Vier Kredstäbe mit ID, sonst nichts.

"Wird Zeit, daß wir verschwinden", meinte ich, und wir rückten ab.

Wir fuhren zu Lou, der sich ein Lagerhaus in einem anderen Sektor des Hafens gemietet und als Wohnung und Garage ausgebaut hatte. Kaum war der Van drinnen, luden wir auch schon unseren Gefangenen aus.

Eine Dosis aus Ditas Medkit weckte ihn auf. Das folgende Verhör teilten sich Dita und ich, und es dauerte gar nicht lange, bis der Typ zu reden begann.

"Hey, wir, wir haben den Job bekommen, ihn" - er zeigte auf Lou - "mitzunehmen." "Und am Hafen zu versenken", ergänzte ich. "Nein nein, ihr seht das falsch", jammerte der Kerl. Ich ließ meine Knöchel knacken. "Okay, okay, ja, ja, bitte nicht, ich sage alles."

"Dann rede, aber schnell." "Der Dieter hat uns angerufen." "Dieter Hansen?" "Ja, ja." "Wo finden wir den?" "Keine Ahnung. Echt nicht." Ein ängstlicher Blick. "Nur der Wirt im Astraeck kennt seine Adresse." "Wieviele gehören zu eurer Gruppe?" "Nur wir vier, und Heinz. Aber der..." "Ja?" "Der ist... verbrannt. Ich weiß nicht." Ich dachte mir meinen Teil.

Wir erfuhren nicht viel neues und beschlossen, den Wohnungen der Typen einen Besuch abzustatten.

Viel fanden wir nicht vor, nahmen einige Tabletops, Notizbücher und Kredstäbe mit. Inzwischen checkte Lou die Wanzen, hatte aber Pech. Eine Aufzeichnung von "Krccch, platsch, platsch" deutete darauf hin, daß wohl irgendwelche Hafenratten die Bewußtlosen geplündert und beseitigt hatten. Nicht unser Problem.

"Zurück zu Lou, und laßt uns die PCs checken."

Viel war es auch jetzt nicht, aber wir fanden einen Hinweis auf einen gewissen Sharkie, der getroffen werden sollte, und zwar gestern.

Dita rief einige ihrer Connections an, und auch Angel wurde auf die Sache angesetzt.

Keine Stunde später wußten wir bescheid. "Sharkie ist einer der größten Waffenschieber im Plex. Hat seinen Standort nahe Wildost, und es heißt, er kann fast alles besorgen."

Wir beschlossen, ihn zu besuchen. "Ich spiele eine Russin, die ein wenig Hardware kaufen möchte. Meine Sprachsoft müßte für den Job reichen", schlug Dita vor. "Ich mime deinen Bodyguard", ergänzte ich, und Lou würde von draußen Deckung geben.

Der Bereich, wo sich Sharkie befinden sollte, war ruhig. Zu ruhig. Brackiges Hafenwasser, die Straße war halb überflutet. Dazu Häuser im Halbdunkel. "Das dort vorne muß es sein", flüsterte Dita. "Dann los", antwortete ich und wir brachen auf. Lou startete inzwischen seine Drohnen und kontrollierte sie aus dem Van.

Wir betraten eine dunklen Korridor, dann einen Hof. Sah verdammt nach versteckten Waffen aus. "Halt, Chummers." Die Stimme kam von der Seite. "Keine hastigen Bewegungen", raunte ich, dann trugen wir dem Samurai, der uns entgegenkam, unser Anliegen vor.

Der Kerl war groß, wenigstens Einsneunzig, und sah sehr nach Kunstmuskeln aus. Eine Sturmschrotflinte war direkt auf uns gerichtet, und jetzt kam noch ein Kumpel dazu, der fast wie sein Zwilling wirkte, aber eine AK-97 verwendete.

Wir wurden professionell abgetastet, dann mußten wir noch durch einen Scannereingang. "Alle Waffen bitte auf den Tisch, Leute", grinste der Samurai. Wir taten ihm den Gefallen, ich behielt nur meine Schnappklingen aus Kalziumkarbid, und durften dann eine Treppe hinauf.

Unterwegs rief ich einen Watcher und befahl ihm, den Astralraum zu überwachen.

"Der Boss erwartet euch hinter der Tür dort."

Wir gingen hindurch und betraten einen großen Raum, nobel eingerichtet, in dem ein Ork hinter einem Riesenschreibtisch saß. Eine Datenbuchse an der Stirn verband ihn mit einem Tabletop, und ich hätte schwören können, daß das nicht seine einzige Verdrahtung war. Der Tisch übrigens war echt edel, sah nach Naturholz aus, wahrscheinlich Mahagoni.

Linker Hand war ein kleinerer Tisch, hinter dem sich ein Norm befand. Keine Waffen, keine sichtbare Cyberware. Entweder der Buchhalter, oder ein Zauberer. Ich würde ihn im Auge behalten.

"Guten Tag", eröffnete der Ork. "Was kann ich für euch tun?"

Dita begann das Gespräch, zunächst auf Russisch, schaffte es aber nicht, Sharkie zu täuschen. "Ich weiß genau, warum ihr hier seid", grinste er. Ich ging sofort instinktiv auf Spruchabwehr und wechselte auf astrale Wahrnehmung. Sharkie war tatsächlich schwer vercybert, und der andere Typ ein hermetischer Magier oder Schamane. Ich hatte nicht die Zeit, mehr herauszufinden, denn auch er hatte einen Watcher oben, der jetzt begann, Radau zu machen.

Ich ging zurück auf normale Sicht, und der Magier lächelte mich überlegen an. Egal.

"Vielleicht können wir ins Geschäft kommen", meinte Sharkie lächelnd. "Sehen Sie, ich bin auch nicht daran interessiert, daß die NA mit diesen Waffen Ärger macht. Geschäft ist Geschäft, aber da ich inzwischen bezahlt bin..." "Wieviel?", unterbrach ihn Dita. "Wie wäre es mit einem kleinen Dienst in der Zukunft? Ich kann immer ... fähige Hilfe gebrauchen."

 

Dita und ich wechselten einen Blick. Es blieb uns wohl keine große Wahl.

"Okay, der Deal gilt." "Fantastisch. Naja, also, die Waffen sind bereits geliefert. In ein Lagerhaus, Sektor 5. Hier ist die genaue Wegbeschreibung. Einen schönen Tag noch."

Wir gingen, bekamen unsere Waffen wieder und beratschlagten mit Lou.

"Schick erstmal eine Überwachungsdrohne hin", schlug ich vor. Die beiden waren einverstanden, und Lou startete sie. Anschließend fuhren wir zu Lous Lagerhaus, um einen Schlachtplan auszuarbeiten.

Nach den Infos zu urteilen, war die Waffenlieferung ziemlich umfangreich. "50 Heckler und Koch 227 und 10.000 Patronen, 50 Walter Secura und 5.000 Patronen, 10 Ruhrmetall GPRL-alpha Raketenwerfer und 200 Raketen, zwei Panther Sturmkanonen und 500 Schuß Hochexplosivmuni, 100 kg C-12 Plastiksprengstoff, 100 Offensiv-Handgranaten, dazu noch ein wenig Spielzeug." Lou faßte die Sache zusammen. Was tun?

Eine Stunde später, wir waren mitten im Planen, sahen wir auf dem Drohnenmonitor, daß ein LKW und zwei PKW in das Lagerhaus fuhren. "Die wollen wohl abräumen", mutmaßte ich. "Dann nix wie hin", erwiderte Lou, und wir fuhren los, Dita auf der Harley, Lou und ich im Van.

Wir erreichten das Gelände eine halbe Stunde später ohne Probleme. Bisher waren die Wagen nicht wieder herausgekommen, aber wir sahen mehrere Posten vor dem Lagerhaus stehen.

Zum Glück gab es schräg gegenüber vom Eingang eine Möglichkeit, sich zur Beobachtung einzurichten. Ich stieg aus und wirkte einen Unsichtbarkeistzauber, dann suchte ich mir eine Deckung. Lou postierte den Van knapp außer Sicht, genau wie Dita ihre Harley.

"Wenn der LKW rauskommt, kriegt er einen kleinen Gruß." "Wie meinst du das, Lou?" "Naja, ich habe hier fünf lenkbare AFRs", grinste er. "Was?" "Anti-Fahrzeug-Raketen mit panzerbrechendem Gefechtskopf." "Hauptsache, du feuerst die nicht in das Lagerhaus. Die Explosion dürfte den halben Hafen verwüsten." "Keine Panik, Leute."

Einige Zeit später wurde es ernst. "Laut Drohnenmonitor öffnet sich das Tor", kam es von Lou, was ich aus meiner Position nur bestätigen konnte.

Das Tor öffnete sich, und ein LKW fuhr heraus. "Hab ihn im Visier", übermittelte Lou. "AFR abgefeuert."

Die Wirkung war ungeheuerlich. Die Rakete flog an mir vorbei, traf den LKW hinten und detonierte. Der Wagen stürzte um und fing sofort Feuer. Leute und Kisten wurden von der Ladefläche geschleudert, die Plane flog in brennenden Fetzen davon. Mehrere Insassen rannten wie brennende Fackeln umher. Auch von den Wachposten war nichts mehr zu sehen.

Wir warteten auf den Gegenschlag, aber der kam nicht. Stattdessen hörten wir lautes Motorengeräusch. Wie ein roter Blitz kam ein Sportwagen aus dem Tor geschossen, rauschte an dem LKW-Wrack vorbei. "Riggerkontrolle", rief Lou, "sonst wäre das unmöglich. Das blöde Feuer erschwert meine Zielerfassung. Euer Job."

Tatsächlich sorgte der brennende LKW für eine wahre Festbeleuchtung. Ich meinte, den vorbeirasenden Wagen als ER-350 von Mercedes zu erkennen, aber ich konnte ihn bestimmt nicht stoppen.

Jetzt hatten wir wohl keine Wahl mehr. "Ich halte sie auf", schrie Dita und beschleunigte ihre Harley, hinter dem Sportwagen her. Ich sah es an ihrem Motorrad mhrmals aufblitzen, als die eingebauten Leichten MGs vom Typ Ingram Valiant das Feuer eröffneten.

Die zweite Salve traf, der Wagen brach seitlich aus und schleuderte aus meiner Sicht. Der kurz darauf folgende Knall und das Geräusch reißenden Metalls deuteten auf einen Crash hin. Auch Dita verschwand aus meiner Sicht, aber mir blieb keine Zeit, mich weiter darum zu kümmern, denn es kamen weitere Leute aus dem Tor, und einer deutete genau in meine Richtung.

Mist aber auch. Entweder war er ein Zauberer, oder er hatte Cyberaugen im Infrarotmodus. Ich hatte nicht vor, es herauszufinden, ließ den Unsichtbarkeistzauber fallen und sprach einen Betäubungsball. Alles oder nichts! Die Energie verließ mich, und ich spürte, wie sie ihre Ziele traf. Alle vier fielen um wie vom Blitz getroffen, blieben nur noch die in der anderen Stellung. Ich schien heute eine gute Serie zu haben! Aber was war das?

Gerade hatte ich die Leute ausgeschaltet, da trat ein weiterer aus dem Tor. Er hatte irgendein längliches Rohr auf der linken Schulter, das er jetzt auf mich richtete. Ehe ich auch nur einen weiteren Gedanken hatte, sah ich, wie eine Stichflamme hinten aus dem Lauf kam und irgendwas auf mich zuflog, einen Feuerschweif hinter sich herziehend.

Mit lautem Krachen detonierte das Geschoß einige Meter von mir entfernt, und ich konnte nicht nur die Hitze fühlen, sondern auch hören, wie die Splitter neben und hinter mir gegen die Wand prasselten.

Ich konnte es nicht fassen. Der Kerl hatte gerade eine Rakete auf mich abgefeuert! Ich dankte noch einmal dem schlechten Licht, meiner Deckung und der Tatsache, daß seine Ausbildung an Schweren Waffen zum Glück zu wünschen übrig ließ, dann schlug ich zurück.

Der Betäubungsball schien wieder einmal genau die richtige Wahl, denn einen anderen Flächenzauber beherrschte ich nicht. Ich wirkte die Formel und sah auch schon die Kerle zusammenbrechen. Puuh! Leider nahm der Spruch aber auch mich ziemlich stark mit, und einen hatte ich nicht mehr erwischt, er stürmte jetzt direkt auf mich zu.

Zum Glück waren die zweihundert Meter Distanz nicht in Nullzeit zu überbrücken. MP-Feuer, aber es lag viel zu kurz. Der Kerl sah es ein und konzentrierte sich aufs Laufen.

Die Geräusche aus dem Bereich, in dem Dita und der Fluchtwagen der NA verschwunden waren, zeigten mir, daß auch dort noch gekämpft wurde, und zwar mit automatischen Waffen. Leider konnte ich so schnell nicht helfen - vielleicht waren noch mehr Raketenschützen in dem verdammten Lagerhaus.

Daher schickte ich dem heranstürmenden NAler eine Serie von Energieblitzen. Nach dem dritten - er war schon auf fünfzig Meter heran - zerriß es den Kerl und er sackte zu Boden. Puh, allmählich machte sich bei mir echte Erschöpfung bemerkbar, und meine Augen schmerzten gewaltig von einer kleinen magischen Rückkopplung. Blieb die Zeit für ein wenig Heilmagie?

Ich mußte es riskieren, begann einen Behandlungszauber. Zum Glück waren die Schäden nicht schwer. Da meldete sich auch schon Dita. "Ich habe die Kerle hier gestoppt, aber mein Motorrad ist völlig im Eimer." "Ich komme", erwiderte ich, und Lou gab an, daß er endlich eine Kampfdrohne gestartet hätte.

Wir trafen uns vor dem Lagerhaus der NA, nun konnte ich in der Entfernung das Wrack des Sportwagens sehen, um das einige Leichen herumzuliegen schienen. Ditas Harley war unweit davon auf die Seite gekippt, sie selbst blutete an der Schulter.

"Ob noch Leute im Lagerhaus sind?", fragte Lou. "Ich denke schon", meinte ich. "Kannst du nicht eine Drohne vorschicken?" "Kein Problem, denke ich." "Ich will erst mein Motorrad verstecken, damit ich's später holen kann", widersprach Dita.

Wir waren einverstanden, behielten den Eingang im Auge und warteten auf Dita. Sie kam fünf Minuten später. "Die Harley steht jetzt in 'nem Lagerhaus. Dürfte reichen." "Alles klar, dann woll'n wir mal."

Lous Kampfdrohne flog durch das Tor ins Lagerhaus. "Alles ruhig, alles..." Er brach ab, denn die Explosion in der Nähe des Tors zeigte, daß wohl doch nicht alles so ruhig war. Es folgten mehrere Feuerstöße eines MGs.

"Da hatte noch wer nen Raketenwerfer, und einer hat mit einer Altmayr gefeuert. Den Raketentyp habe ich erwischt, glatt durch seine Deckung gefeuert. Aber die Drohne ist beschädigt, ich ziehe sie zurück."

"Dann nichts wie rein", meinte Dita, und wir hechteten nach innen. Sofort ein Schuß von hinten, der uns aber verfehlte. Ich antwortete mit einem Energieblitz, Dita mit einem Feuerstoß ihrer Urban Combat.

Das Gefecht dauerte nicht lange, dann traf Dita ihr Ziel. Ruhe kehrte ein.

"Denkst du, wir haben alle?" "Ich meine ja. Und - allmählich sollten wir abhauen. Die Bullen müßten gleich da sein." "Hast recht."

Wir rannten nach draußen. "Leute, ich hab hier was auf den Sensoren. Wenigstens zwei leichte Copter, wahrscheinlich Kolibris, dazu ein dicker Brocken." "HanSec! Die Bodeneinheiten werden dann auch nicht weit sein. Lou, fahr den Van her."

Gesagt, getan. Wir sprangen hinein, nahmen noch einen der Bewußtlosen mit, die herumlagen. "Wir halten kurz beim Sportwagenwrack." "Wieso?" "Ich will diesen Kerl untersuchen, der wie ein Manager aussieht." "Aber mach schnell."

Wir fuhren zu der Stelle, ich lud den Mann in den Van, dann wurde er untersucht. Kredstab, ID, das war's. Sirenengeheul kam immer näher, auch die Chopper. "Nichts wie weg - und schmeiß die Leiche raus", meinte ich. Dita öffnete die Seitentür, warf ihn hinaus, und dann gab Lou Gas.

"Wir sollten uns verstecken, die werden weiträumig abgesperrt haben. Ich glaube aber nicht, daß die hier alles durchsuchen können." Lous Vorschlag wurde angenommen, und wir fanden uns wenig später in einem Lagerhaus wieder. "Ganz ruhig." Lou schaltete alle Systeme ab, und wir warteten.

Währenddessen versorgte ich Ditas Wunden, konnte aber nur gegen die Schmerzen erfolgreich vorgehen.

Ein paar Stunden später. Wir saßen die ganze Zeit wie auf heißen Kohlen, immer darauf gefaßt, uns den Weg freikämpfen zu müssen, und gleichzeitig nahe daran, einzuschlafen vor Erschöpfung.

Endlich schien draußen Ruhe eingekehrt zu sein. "Die Sensoren zeigen nichts mehr, auch keinen Funkverkehr. Wollen wir es riskieren?"?, fragte Lou.

Wir waren einverstanden, und er fuhr den Van langsam aus der Lagerhalle. Draußen war tatsächlich keine Polizei mehr zu sehen, die HanSec-Copter und -Transporter waren alle abgerückt.

Lou beschleunigte, und der Van verließ das Hafengelände, ohne daß wir irgendwelche Probleme bekommen hätten. Das Motorrad ließen wir an Ort und Stelle, denn es war zu beschädigt, um es jetzt mitnehmen zu können.

"Auf zu mir", schlug Dita vor, und dort kamen wir eine halbe Stunde später erschöpft aber zufrieden an. Jetzt brauchten wir erst einmal etwas zu trinken und zu essen. Wir schalteten nebenbei dern Fernseher an, um ein wenig informiert zu sein. Da waren auch schon Bilder, die wir nur zu gut kannten.

"Bei einer Schießerei im Sektor 5 des Hafens wurden gestern abend wenigstens zwanzig Personen getötet und eine unbestimmte Zahl verletzt. Das Gefecht, das zum Teil mit Raketenwerfern und militärischen Waffen geführt wurde, führte nach Angaben der Polizei zum Tode von drei Mitgliedern der Kommandoebene der rechtsradikalen Nationalen Aktion."

Bilder wurden eingeblendet.

"Dieter Hansen, Friedrich Naumann und Stefan Klein, die wegen zahlreicher Gewaltdelikte gegen Metamenschen und Ausländer gesucht wurden, starben heute Abend im Hafenviertel. Die Polizei nimmt an, daß eine linksradikale Terrorgruppe verantwortlich zu machen ist. Bisher sind aber keine Bekenneranrufe eingegangen."

"Okay, ich fahre jetzt zu unserer Schmidt. Wir treffen uns in einer Stunde beim HardRock-Café", sagte Dita. Wir waren einverstanden.

Eine Stunde später. Wir waren alle dort, und auch Dita traf gerade ein. "Alles geregelt, ich habe die Kreds", begrüßte sie uns. "Frau Schmidt war sehr dankbar, daß wir die Kommandoebene der NA getroffen haben. Das hat einen kleinen Bonus eingebracht."

Wir diskutierten unsere Kosten, legten die Beute zusammen - wir hatten inzwischen noch zwei der erbeuteten MPs und einen Tabletop versetzt - und jeder bekam einen Ebbie. Für mich gab es 20.000 EC.

Der Gefangene? Den hatten wir vor einer Polizeiwache abgeladen, mit einer kleinen Nachricht. Fast wie eine rote Schleife. Was sollten wir auch sonst mit ihm machen?

Einzig für Lou war es recht teuer geworden, wenn man die zwei verschossenen Raketen bedachte. Aber lieber teuer als tot. "Ich hab schon ungelenkte bei meinem Schieber bestellt", gab er mir zu verstehen.

Einige Stunden später, nach einer kleinen Feier, verabschiedeten wir uns voneinander und trennten für die nächsten Wochen unsere Wege.

Anschließend kamen wohl Dita, Lou und Angel in Kontakt mit irgendeinem ominösen Kerl, der sich nicht Schmidt, sondern Johnson nannte, aber dazu weiß ich kaum näheres. Nur soviel, sie riefen mich irgendwann im späten September aus einer kleinen Stadt in der Norddeutschen Allianz an, Braunschweig hieß es wohl, und fragten nach einem Wachgeist. Auf die Schnelle und die Entfernung konnte ich aber nicht helfen, und sie erledigten ihre Probleme auch so.

Schien aber ein lukrativer Run gewesen zu sein, wenn auch Dita schwer verletzt zurückkam und Angel in eine BuMoNa-Klinik mußte. Naja, und Lou hatte eine Drohne verloren, angeblich in einem Schornstein, wie auch immer.

Dann verstrich einige Zeit, in der ich überhaupt nichts von den dreien hörte. Ich stürzte mich ein wenig auf Spruchentwurf und magische Weiterbildung, leistete ein wenig rituelle Arbeit und unterzog mich dem ersten Initiationsritus.

Erst im Oktober traf ich Dita und Angel wieder.

 

(Fortsetzung auf Kassette 2)

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