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Orca - Ein Samurai in Deutschland

Eines Abends im Astra-Eck. Dumpf wummerte metamenschenfeindliche Musik aus den alten Lautsprechern der Kneipe. Die Gruppe „Gegenschlag“ sang einen einfallslosen Text in der Art von „Wir finden es besonders toll – verprügeln wir zu viert ‚nen Troll“. An einem der Ecktische im schummrigen Halbdunkel saßen vier Menschen und eine Frau. Sie alle waren in Leder gekleidet, hatten die Köpfe zu Glatzen rasiert. Zwei von ihnen hatten sich zusätzlich noch die doppelte Siegesrune auf die Stirn tätowieren lassen. Auf dem Tisch standen halbvolle Biergläser, dazu lagen ein paar Baseballschläger griffbereit vor ihnen. Dennoch herrschte Langeweile. Man wollte etwas unternehmen, diskutierte hin und her.

„Heh, ich weiß. Lasst uns ein paar Untermenschen klatschen gehen!“ Der Vorschlag von Karl fand allgemeine Zustimmung bei den anwesenden Skinheads. Sie tranken ihre Biere aus, nahmen die Baseballschläger mit und verließen das Lokal.

Einige Zeit später, eine einsame, dunkle S-Bahnhaltestelle in einem der Vororte von Hamburg. Zischend fuhr eine Bahn ein, die Türen öffneten sich. Eine Elfin sprang hinaus, sah sich wie gehetzt um. Begann zu rennen. Wenige Sekunden später tauchten fünf Skinheads auf, die ihre Verfolgung aufnahmen. „Hilfe!“ Ein lauter, verzweifelter Frauenschrei. „Ist denn niemand da?“ Die Elfin lief schneller. Ihre Kleidung deutete auf einen Mittelschicht-Lebensstil hin, ebenso wie die eleganten Schuhe. Leider aber waren diese jetzt eher hinderlich.

Da, ein Stolpern, ein Schrei. Schon waren die Verfolger heran, johlend. Die Elfin lag auf dem Boden, wimmernd, die Hände schützend über dem Kopf gelegen. „Los, mach die Schnalle fertig, Heinrich!“, befahl der Anführer der Skinhead-Gruppe. Heinrich, ein vierschrötiger Kerl um die 20, trat vor, holte mit dem Baseballschläger aus. Die anderen traten näher, um sich den Anblick nicht entgehen zu lassen.

„Sumimasen, was ihr hier machen?“ Die Stimme kam völlig überraschend, von hinten.

Orca hätte, wenn man ihn denn gefragt hätte, wohl gesagt, dass er einen verdammt miesen Tag hinter sich hatte. Nicht nur dass ihn sein Schmidt am Treffpunkt versetzt hatte, nein, zu allem Überfluss war es auch unmöglich gewesen, ein Taxi zu bekommen, so dass er sich für die S-Bahn entschieden hatte. Und jetzt traf er auch noch auf eine Horde Skinheads. Aber beim besten Willen, er konnte es nicht zulassen, dass die fünf über eine einsame Elfin herfielen.

Die Skins wirbelten herum. Sahen einen einsamen Ork, ohne erkennbare Waffen, gekleidet mit einem langen, dunklen Mantel.

„Konban wa. Ich Orca. Ich Samurai. Ihr diese Frau in Ruhe lassen und nach Hause gehen. Dann niemand wird verletzt.“ Der Ork lächelte.

„Ha, und ob hier gleich jemand verletzt wird, und zwar du, du Rassenschande. Wolfgang, zeig ihm, wie ein Deutscher zu kämpfen versteht.“ „Jawohl, mein Führer.“ Wolfgang zog mit einem hämischen Grinsen eine fast anderthalb Meter lange Stahlkette aus einer seiner Jackentaschen. Ließ sie kreisen, erst langsam, dann schneller, bis sie einen silbrigen, stählernen Bogen zu bilden schien. Dann bewegte er sich langsam auf den einsamen Ork zu.

Orca blieb ruhig stehen, machte keine Anstalten, eine Waffe zu ziehen. Die Skins konnten nicht wissen, dass er in diesem Moment seine gesteigerten Reflexe aktivierte und sich kampfbereit machte.

„Sumimasen. Du wissen, dass Nunchaku-Kampf sein sehr schwierig, du hoffentlich haben gut gelernt? Wenn du Waffe nicht richtig halten, so wie jetzt, dann es ganz leicht für Gegner, dich zu entwaffnen.“ „Ha, du mieser kleiner Ork willst mich entwaffnen?“ Wolfgang stürmte vor, schlug dabei in einem weiten kreisenden Bogen mit der Kette nach Orca. Eine fließende, unfassbar schnelle Bewegung folgte. Dann ein Schrei, ein Klirren. Die Kette lag plötzlich auf dem Boden, und Wolfgang hielt sich die Hand, jammerte. „Ihr jetzt gesehen, wie man nicht kämpfen mit Nunchaku. Aber ihr noch lernen werdet, wie man das richtig machen.“

Im nächsten Moment hatte Orca schon die Kette in seiner eigenen Hand. „Ich nun demonstrieren Nunchaku-Technik. Waffe schwer zu führen, aber sehr effektiv.“

„Auf ihn mit Gebrüll!“ Heinrich und Herrmann schwangen ihre stahlverstärkten Baselballschläger. Die Elfin war vergessen. Wie ein Mann stürmten sie vor, auf Orca zu. „Nunchaku vor allem sehr gut geeignet gegen Keulen. Ihr jetzt sehen werdet.“

Ein kaum erkennbares Schwirren der Kette, ein trockenes Krachen – und Heinrich stellte plötzlich fest, dass er nichts mehr in den Händen hielt. Sein Baseballschläger war einfach weggeflogen, aber er hätte nicht sagen können, wie es passiert war. Herrmann ließ sich nicht beirren, holte aus, schlug zu...und mit einem weiteren Klirren schlug Metall auf Metall, die Kette wickelte sich um seine Waffe, und er musste feststellen, dass er sie beim besten Willen nicht halten konnte.

„Ihr jetzt verstehen wie richtig kämpfen mit Nunchaku?“ Orca trat einen Schritt zurück, deutete eine Verbeugung an. Die beiden Skinheads aber stürmten mit lautem Gebrüll erneut auf ihn zu, wollten ihn überrennen. „Ein Samurai nicht kämpfen mit Waffe gegen Mann ohne Waffe.“ Orca ließ die Kette fallen. „Ha, das war ein Fehler, Untermensch.“ Schon waren die beiden Gegner heran. Mit einem Sprungtritt versuchte Heinrich, Orca zu Boden zu schleudern, während Herrmann seine Fäuste einsetzen wollte.

Orca machte einen fließenden Schritt zur Seite, eine Bewegung wie Wasser. Heinrich konnte seinen Flug nicht mehr abbremsen, nur war kein Ziel mehr vor ihm. Das heißt, ein Ziel war da schon, aber er hatte eigentlich Orca treffen wollen, und nicht die Wand hinter ihm. Mit einem lauten Krachen prallte er auch schon auf das Hindernis, schlug mit dem Hinterkopf auf . Schwärze umfing ihn, gnädige Bewusstlosigkeit.

Herrmann hatte Orcas Bewegung gesehen, und anders als sein Kamerad, konnte er reagieren. „Jetzt zeige ich dir, wie ein Deutscher boxen kann. Los, wehr dich.“ Seine Fäuste wirbelten. Dieser Ork würde gleich eine Überraschung erleben, immerhin hatte er zehn Jahre in St.Pauli geboxt. Orcas Hände bewegten sich anders, gleichmäßiger, fließender. „Was soll das Gefuchtel? Jetzt setzt es welche. Ha!“ Herrmann griff an, täuschte mit der Linken, stieß mit der Rechten direkt vor auf Orcas Kinn. Plötzlich fühlte er einen Schlag gegen den Unterarm, mit der Kraft eines Dampfhammers, als hätte der Ork nicht etwa nur den Arm, sondern eine Metallkeule benutzt. Ein Knacken, ein stechender Schmerz. Der Arm war gebrochen.

Im nächsten Moment fühlte Herrmann, wie Orca ihn packte, durch die Luft wirbelte, als wiege er nicht 95 Kilogramm. Er landete unsanft halb neben, halb auf seinem Kameraden Heinrich, schlug ebenfalls mit dem Kopf auf. Verlor das Bewusstsein. Orca lächelte, verbeugte sich vor den beiden gefallenen Gegnern. „Ein Samurai auch kann kämpfen ohne Waffen. Ihr gesehen, ihr verstanden. Ihr nicht werdet vergessen Lektion.“

„Hey, Rassenschande! Genug gespielt, jetzt bist du fällig!“

Orca drehte sich ein Stück. Er sah Karl, den Anführer. Und in dessen Händen ruhte, matt schimmernd, eine schwere Pistole, deren Mündung direkt auf seinen Körper zeigte. Orca zeigte keine erkennbare Reaktion, sehr zur Enttäuschung von Karl. „Was für Spielzeug du dort haben?“, fragte er nur, lächelte leicht.

„Das ist eine Walter Secura, 9 Millimeter. Echte deutsche Wertarbeit, du Sack!“ Karl konzentrierte sich auf die Daten, die auf seiner Netzhaut erschienen. „Meine Smartverbindung gibt mir eine 99,9prozentige Chance, deinen fetten Wanst mit Blei zu spicken. Und das tue ich gleich.“ Orca lächelte. „Du geladen panzerbrechende Kugeln? Nein? Dann du mich nicht werden verletzen. Gomen nasai.“ Er lächelte wieder. Karls Gesicht verzog sich vor Wut. „Jetzt reicht’s. Zeit, ein Stück Dreck zu vernichten.“ Er krümmte den Abzugsfinger.

Zwei Schüsse knallten in rascher Folge. Die Kugeln trafen Orca frontal in den Bauch. Er taumelte leicht, schien sich ein wenig zu krümmen. Griff mit der linken Hand an die getroffene Zone.

„Ha, hab ich dich endlich, du Untermensch!“ Karl lachte triumphierend. Im gleichen Moment wurde er totenbleich. Orca hatte sich wieder gerade aufgerichtet, und er streckte ihm die linke Hand entgegen. Von Blut keine Spur, statt dessen lagen in der Handfläche zwei dunkle, verformte Metallbrocken.

„Du nicht wissen, Samurai nicht nur haben Herz aus Stahl. Haben auch Bauch aus Stahl.“ Orca lächelte und er deutete eine Verbeugung an. „Sumimasen, du das jetzt weglegen wirst. Sonst du noch dich verletzen...“

Karls Selbstbeherrschung war dahin. Mit wutverzerrtem Gesicht drückte er ab. Wieder und wieder. Die Kugeln trafen alle ihr Ziel, aber es war keine Wirkung zu sehen. Karl ließ die leergeschossene Waffe fallen, zog sein Kampfmesser aus der Stiefelscheide. Orca trat einen Schritt vor, lächelte wieder. „Du kennen altes Film, wo Mann sagen ‚Das sollen Messer sein, das hier sein Messer?‘“ Mit einer fließenden Bewegung und einem lauten „Sching“ zog er sein Katana unter dem Mantel hervor. Die über einen Meter lange Klinge funkelte. Karl zögerte, blickte sich gehetzt nach Unterstützung um.

Aber da war niemand. Hermann und Heinrich lagen bewusstlos nahe der Wand. Wolfgang kauerte in der Nähe, hielt immer seine verletzte rechte Hand mit der linken fest, hatte ein schmerzverzerrtes Gesicht. Von Heidi war nichts zu sehen. Ob sie schon geflohen war?

Dieser Ork vor ihm hatte sich als verdammt harte Nuss herausgestellt. Aber es half alles nichts. Ein Deutscher floh nicht vor einer Missgeburt. Vielleicht wenn er...ja, das war es doch. „He, Ork, das ist doch unfair, du mit deinem langen Ding gegen mein kleines Messer.“ „Du Recht haben. Das nicht ehrenhaft. Wir beide lassen Waffe fallen.“ „Okay. Du zuerst.“ „Einverstanden. Ich ehrenhaft.“ Mit einem Klirren fiel Orcas Katana auf den Boden, dann auch Karls Kampfmesser. „Jetzt wir kämpfen ohne Waffen.“ Karl grinste, griff in seine rechte Jackentasche. Dort, das wusste er genau, hatte er einen kleinen Elektroschocker, den er in seiner rechten Hand verbarg.

Dann griff Karl an, schlug mit der rechten Hand zur Faust geballt zu, direkt in Richtung auf Orcas Bauch. Orca lächelte, machte keine Abwehrbewegung. Karl öffnete die Faust kurz vor dem Treffer, löste die Schockladung aus. Brzzz. Dann erstarrte er. Keine Wirkung. Überhaupt keine. Das konnte doch nicht wahr sein! War dieser Ork mit dem Teufel im Bunde? Und während er noch versuchte, sich darüber klar zu werden, traf ihn Orcas Handkantenschlag mit Wucht in den Nacken. Er brach zusammen und hörte gerade noch „Du nicht ehrenhaft, du jetzt schlafen gehen“, bevor alles dunkel wurde. Karl sah nicht mehr, wie Orca das Katana aufhob und wieder verstaute.

Damit stand nur noch einer der Skinheads. Eine, um genau zu sein. Heidi, die sich bisher sehr im Hintergrund gehalten hatte. Und die jetzt die Chance sah, sich zu bewähren, ihre Kameraden zu rächen. Sie griff in eine ihrer Taschen, nahm das Zauberpulver in die linke Hand. Konzentrierte sich. Orca hatte bislang nur abgewartet, nichts mehr unternommen.

Heidi grinste verzerrt. „Die Macht der völkischen Magie wird dich vertilgen. Brenne im ewigen Feuer der Götter.“ Sie streckte die Hände aus, eine flammende Lohe entstand um sie, begann zu wachsen, fegte auf den Ork zu. Orca blieb völlig regungslos stehen. Wieder ein leichtes Lächeln um seine Gesichtszüge. Fassungslos sah die Schamanin des Runenthings, wie ihr magisches Feuer den Ork einhüllte, aber nicht verbrannte. Sie wechselte auf astrale Wahrnehmung und sah entsetzt, wieviel nun unverhüllte magische Macht von Orca ausstrahlte.

„Du glauben, dass Samurai nicht kennt Magie? Du niemals unterschätzen Samurai. Und du nicht überschätzen Macht von Feuer.“ Eine kurze Geste, ein Flüstern wie aus den Tiefen des Meeres. Orca deutete mit seinen Händen auf die Schamanin. Ein Rauschen war zu hören, und im gleichen Moment strömte ein dicker Strahl eiskalten, brausenden Wassers auf sie zu.

Heidi spürte, wie ihre rudimentäre Verteidigung durchbrochen wurde, versuchte, sich zur Seite zu werfen. Vergebens! Der Wasserstrahl traf sie wie der Tritt eines Trolls mitten auf dem Oberkörper. Warf sie zurück, sie taumelte, stürzte. Verlor das Bewusstsein, sah mit der letzten Kraft gerade noch einen lächelnden Ork, der sich zu verbeugen schien.

„Diese Stunde jetzt beendet. Ihr ausruhen, dann nach Hause gehen.“ Orca verbeugte sich, lächelte noch einmal. Dann ging er zu der am Boden liegenden Elfin. „Du jetzt in Sicherheit sein. Ich dich nach Hause bringen werde. Wo du wohnen?“ Er hob die Frau auf und ging langsam in die Hamburger Dunkelheit davon. Zurück blieben fünf reglose Skinheads und eine Reihe auf dem Boden liegender Waffen. Es begann zu regnen.

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